Die Befragung von Gisela Lehmer-Kerkloh und Thomas Przybilka
Ein Service der Alligatorpapiere.


Jan Costin Wagner



Frage: Warum Krimis?

Jan Costin Wagner: Weil das Verbrechen die Extremsituation schafft, die mich im Kern interessiert.

Frage: Was bedeutet deutscher Krimi für Sie?

Wagner: Ich denke nicht in Kategorien. Mich interessiert nur das einzelne Buch, als Leser wie als Autor.

Frage: Wer ist überschätzt?

Wagner: – – –

Frage: Wer ist unterschätzt?

Wagner: – – –

Frage: Krimi – eine Literaturgattung?

Wagner: Ja, sicher. Aber für mich – als Leser und Autor – hat die Kategorisierung keine Relevanz. Wer will die Regeln des Kriminalromans definieren und vor allem: Was bringt das eigentlich? Es geht doch letztlich um den Roman, um seine Geschichte, seine Figuren, seine Sprache, es geht um die Frage, was ein Roman im Lesenden auslöst, und nicht um die Frage, ob er einer bestimmten Genre-Auffassung entspricht.

Frage: Wie sind Sie zum Krimi gekommen?

Wagner: Ich habe immer gerne Romane gelesen, in denen gemordet wird. Ich glaube, das hängt auch damit zusammen, dass mich der Tod an sich beschäftigt hat, die Frage, wie man die Angst vor dem Tod, das Erleben des Todes, ins Leben integriert.

Frage: Ihre Lieblingstatwaffe?

Wagner: Hauptsache tot.

Frage: Mord – muss das sein?

Wagner: Nein. Aber Mord schafft besonders unmittelbar und eindringlich die Extremsituation, mit der ich die Protagonisten des Romans konfrontieren möchte.

Frage: Warum schreiben Sie?

Wagner: Weil ich das Gefühl habe, dass ich nur schreibend aussprechen kann, was für mich unaussprechlich ist.

Frage: Bilden Sie in Ihren Kriminalromanen die Gegenwart ab?

Wagner: Jedenfalls versuche ich, Ängste und innere Brüche von Menschen greifbar zu machen, die gegenwärtig leben könnten.

Frage: Wo würden Sie Ihr "Setting" wählen?

Wagner: Wichtig ist für mich, dass der Schauplatz einen Bezug hat zur Grundidee des Romans und zu seinen Figuren, dass er eine bestimmte, für den Roman zwingende Atmosphäre schafft.

Frage: Welche Bedeutung hat für Sie Essen und Trinken?

Wagner: Hm ... ich esse und trinke recht gern.

Frage: Sex im Krimi?

Wagner: Ja.

Frage: Wenn ja, warum?

Wagner: Weil Romane von Menschen handeln und Sex – vorsichtig formuliert – prägender Bestandteil des Lebens ist, was man auch daran sieht, dass selbst hier, in diesem Fragebogen, davon die Rede ist.

Frage: Gibt es einen "Frauenkrimi"?

Wagner: Wie gesagt, ich mag keine Kategorisierung, ich verstehe, dass der Buchhandel eine gewisse Ordnung herstellen muss, ansonsten finde ich dieses Zuordnen unsinnig.

Frage: Für wen schreiben Sie?

Wagner: Für mich und für Leser. Der Gedanke, dass jemand einen von mir geschriebenen Roman liest, dass die Sprache in ihn dringt und er sich vielleicht Jahre später an die Menschen des Romans erinnert, daran, was sie gedacht haben, wie sie mit bestimmten Situationen umgegangen sind, ist unglaublich schön. (Ich hoffe, das klingt nicht pathetisch, falls doch, ist es trotzdem die Wahrheit.)

Frage: Plotentwicklung – Ihr erster Gedanke?

Wagner: Mein erster Gedanke ist, dass es dazu keinen ersten Gedanken gibt. Mein zweiter Gedanke befasst sich mit der Frage, warum das mein erster Gedanke war. Mein dritter Gedanke hinterfragt, ob es überhaupt mein erster Gedanke war oder ob ich nur eine schlaue Antwort geben wollte. Rund einhundert oder zweihundert Gedanken später müsste ich einen tollen Plot entwickelt haben, vorausgesetzt, ich lasse mich nicht immer wieder von der Ausgangsfrage aus dem Konzept bringen.

Frage: Machen Sie sich Notizen und wo kommen Ihre Ideen her?

Wagner: Wenn die Grundidee und die Protagonisten in meinen Gedanken Gestalt annehmen, versuche ich, ein Expose zu schreiben, das einerseits nur eine Skizze ist, andererseits aber den Roman und seine Figuren zumindest im Ansatz zu Ende denkt. Überhaupt nicht mag ich Romane, bei denen ich irgendwann den Eindruck gewinne, dass der Autor keine Ahnung hatte, was er mit diesem Werk und seinen Figuren eigentlich wollte.

Frage: Wo schreiben Sie?

Wagner: Meistens zu Hause.

Frage: Hindert der PC Sie am Schreiben?

Wagner: Nein, warum?

Frage: Ihr Lieblingsbuch als Kind?

Wagner: Lustige Taschenbücher mit Donald und Dagobert Duck.

Frage: Ihr Lieblingsbuch heute?

Wagner: Mehrere: Zum Beispiel "Tony und Susan" von Austin Wright, "Die Elixiere des Teufels" von E.T.A. Hoffmann oder "Das Versprechen" von Friedrich Dürrenmatt, wobei ich vor allem das Ende dieses Romans sensationell finde.

Frage: Ihre Lieblings-Krimiautorin / Ihr Lieblings-Krimiautor?

Jan Costin Wagner: Mehrere: Zum Beispiel Dick Francis. Er hat zwar mehr als 30 Bücher mit der exakt identischen Plot-Struktur geschrieben, und der Ich-Erzähler ist auch jedes Mal im gleichen Alter, aber ich fand die Romane mit wenigen Ausnahmen äußerst spannend.

Frage: Ihr Lieblingsfilm?

Wagner: Spurlos verschwunden (holländische Originalversion)

Frage: Ihr Lieblingsgetränk?

Wagner: Oje, Cola

Frage: Kochen Sie?

Wagner: Ab und zu, aber ziemlich simpel.

Frage: Gehen Sie essen, und wenn ja, wo?

Wagner: Ab und zu, dann oft italienisch.

Frage: Was ist Ihr Lieblingskleidungsstück?

Wagner: Ein Schlafanzug, den meine Frau selbst gemacht und mir mal zu Weihnachten geschenkt hat.

Frage: Fußball – ist das ein Thema für Sie?

Wagner: Ja, ich spiele seit meiner Kindheit mit großer Begeisterung.

Frage: Frauen/Männer – ist das wichtig für Sie?

Wagner: Hm ... beim Fußball?

Frage: Ihre Lieblingsstadt in Deutschland?
Wagner: Heusenstamm-Rembrücken, da bin ich aufgewachsen.

Frage: Ihr Lieblingsland?

Wagner: Finnland

Frage: Was lieben Sie?

Wagner: Eher wen: Meine Frau, meine Tochter, meine nächsten Verwandten.

Frage: Was verabscheuen Sie?

Wagner: Aufgeblasenes Getue und Streit.

Frage: Beste Schulnote – worin?

Wagner: Sport, aber nur in den Jahren, in denen Geräteturnen keine Rolle spielte.

Frage: Schlechteste Schulnote – worin & warum?

Wagner: Physik, weil ich sie nicht begriffen habe.

Frage: Ihr Traumberuf?

Wagner: Unablässig und penetrant gewinnender Spielbankbesucher.

Frage: Haben Sie eine Ahnung, warum Sie diesen Fragebogen beantwortet haben?

Wagner: Weil ihr mich gefragt habt, ob ich Lust dazu hätte und ich Lust dazu hatte.


Jan Costin Wagner
Jan Costin Wagner wurde am 13. Oktober in Langen/Hessen geboren. Er studierte Germanistik und Geschichte an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt. Nach Abschluß des Studiums volontierte er bei der Offenbach-Post. Er lebt in Offenbach und arbeitet seit 2002 als selbständiger Autor.

Schon sein Debüt Roman "Nachtfahrt" wurde mit dem Marlowe für den besten deutschsprachigen Kriminalroman des Jahres 2002 ausgezeichnet. Anlässlich seines zweiten Buches "Eismond" wurde Jan Costin Wagner zum "Gegenschriftsteller der Popliteratur" ausgerufen, der hochliterarische, tiefgründige Krimis schreibt (hr online). 2004 erhielt er den Förderpreis Literatur des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI. Seine Bücher wurden auch in die französische Sprache übersetzt.

Homepage:
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Die Kriminalromane:
Nachtfahrt, Eichborn 2002
Eismond, Eichborn 2003
Eismond, Goldmann Tb 2005
Schattentag, Eichborn 2005


Stand: 21.Juni 2005
© Gisela Lehmer-Kerkloh & Thomas Przybilka

Alle Titel und natürlich jedes andere lieferbare Buch können und sollten Sie bei Missing Link in Bonn bestellen, einer Buchhandlung, die sich auf Sekundärliteratur zum Krimi, auf Kriminalliteratur und auch auf die Beschaffung ausländischer Literatur spezialisiert hat.
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Die Befragenden:

Gisela Lehmer-Kerkloh rezensiert Kriminalliteratur. Sie ist Mitglied bei den Sisters in Crime sowie Amiga im Syndikat.
Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht sie regelmäßig ihren "Krimi-Kurier" Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
NordPark Verlag

Thomas Przybilka verdient seinen Lebensunterhalt als Buchhändler. Er ist langjähriges Mitglied der "Autorengruppe Deutschsprachige Kriminalliteratur Das Syndikat". 1989 baute er das international bekannte "Bonner Krimi Archiv (Sekundärliteratur)" [BOKAS] auf. Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht er regelmäßig seine "Krimi-Tipps zur Sekundärliteratur zum Krimi." Zahlreiche Publikationen zur Kriminalliteratur in Fachanthologien und -magazinen im In- und Ausland. Kriminalgeschichten in Deutschland, Bulgarien und Spanien. Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
NordPark Verlag