Schmauchspuren.
No. 13
Die Kolumne von Peter Hiess
Achtung: Wer sich zu tief in die Emotionen anderer einfühlen kann, gefährdet damit nicht nur sich, sondern auch seine Umwelt. Dies und vieles mehr hat Peter Hiess aus den neuen Krimis gelernt …
Wir kennen Bernie Gunther. Er war der deutsche Privatdetektiv, der in Philip Kerrs berühmt gewordener "Berlin-Trilogie" in der (Prä-)Nazi-Ära ermittelte - Noir in einer wirklich finsteren Zeit. In der Zwischenzeit hat sich Kerr mit zunehmend seelenlosen Techno-Thrillern auf dem Krimimarkt etabliert und schickt Bernie jetzt noch einmal los. In "Das Janus-Projekt" (der Titel soll wohl an die zahllosen Dan-Brown-Kopien erinnern, ist aber schlecht und irreführend) hat sich Gunther aus dem Ermittlerdasein zurückgezogen. Er versucht das Hotel seines verstorbenen Schwiegervaters zu führen - aber da will keiner hin, weil es blöderweise mitten in Dachau steht. Bernies Frau ist im Irrenhaus; ihr Gehirn hat den Greueln des Hitler-Regimes nicht standgehalten.
So sieht es in Kerrs Roman allerorten aus: unverbesserliche alte Nationalsozialisten, kollektivschuldige Deutsche, schlechtgelaunte Besatzungssoldaten und korrupte CIA-Agenten - alles in allem eher eine abgenudelte Antifa-Propagandaschrift denn ein Krimi. An dem versucht sich Kerr zwar auch, indem er Gunther in München wieder zum Private Eye werden und sich auf die Spuren "alter Kameraden" setzen läßt. Dabei verschlägt es ihn auch nach Wien, wo er bald des Mordes verdächtigt wird und ausgerechnet mit Eichmann (!) nach Südamerika flüchten muß. Alles schön und gut, aber die Intrige, in die der Ermittler da verwickelt wird, ist so durchsichtig, daß sich der Leser spätestens in der Hälfte des Romans denkt: "Das gibt's doch nicht, daß der Idiot darauf reinfällt, Schuldkomplex hin oder her!" Tut er aber. Vielleicht hat Janus ja gerade in die andere Richtung geschaut ...
Philip Kerr:
Das Janus-Projekt
Übersetzt von Cornelia Holfelder-von der Tann
Wunderlich Verlag 2007,
446 S., € 19.90
Adam Fawers erfolgreiches Debüt "Null" handelte von einem Mathematikgenie, das in ein brisantes Hasardspiel zwischen Russenmafia, Geheimdiensten und seiner eigenen Fähigkeit, die Zukunft vorauszusehen, verwickelt wurde. Leider hielt sich der Autor damals zu sehr mit trockenen Abhandlungen über Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie auf, um der durchaus vielversprechenden Prämisse genug Spannung zu verleihen.
Mit dem Nachfolger "Gnosis" gelingt ihm das Kunststück schon besser. Diesmal geht es um Empathiker - also Menschen, die die Empfindungen anderer synästhetisch wahrnehmen und auch beeinflussen können -, die in ein Geheimprojekt der US-Regierung, die Weltübernahmepläne einer Sekte und die drohende Apokalypse zu Silvester 2007 hineingezogen werden. Auf einen rasanten Beginn folgt ein langer und oft auch wieder recht theorielastiger Mittelteil, bevor Fawer in die Gegenwart zurückspringt und sein Buch im Tempo eines Death-Metal-Videoclips enden läßt. Trotzdem: schnell und mit Genuß gelesen - und dabei wieder was gelernt.
Adam Fawer:
Gnosis
Übersetzt von Jörn Ingwersen
Kindler Verlag 2007,
717 S., € 19.90
Die geschätzte Pulp-Taschenbuchreihe "Hard Case Crime" geht mit den Bänden 24 und 25 in die nächste Runde. Der Protagonist von Pete Hamills 1983 verfaßtem "The Guns of Heaven" ist ein typischer Hardboiled-Antiheld:Sam Briscoe, von Beruf Reporter, mit irischen Vorfahren und ausgeprägten Sympathien für die Aktivitäten der IRA. Bei einem Besuch in Belfast lernt er einen Anführer der Widerstandsorganisation (merke: Nur die Mächtigen nennen solche Leute "Terroristen") kennen und erklärt sich bereit, Sympathisanten in New York einen Brief zu übergeben. Dadurch verstrickt er sich tief in ein Netz aus britisch-brutalen Agenten, dummen Fanatikern, Kindesentführern und Waffenhändlern; der
Leser fiebert mit, verabscheut mit Briscoe britische Besatzer ebenso wie amerikanische Heuchler und folgt der Handlung gebannt bis zum Schluß.
Von "The Last Match" des Autors David Dodge (der die Romanvorlage zu Hitchcocks "Über den Dächern von Nizza" verfaßte) kann man das leider kaum behaupten. Nicht umsonst ist der Roman des 1974 verstorbenen Schriftstellers erst vor kurzem posthum erschienen. Die Story vom Gigolo und kleinen Gauner an der Riviera, der später gemütlich durch charmant-kriminelle Abenteuer in Tanger, Marrakesch, Peru und Brasilien mäandert, vernachlässigt den Haupt-Plot um die verliebte Erbin und ihre "Erziehungsmaßnahmen" schmählich. Nur für Komplettisten ...
Und weil an dieser Stelle einst am Phänomen "Frauenkrimi" gezweifelt wurde: Mit "Schwarzwild" , dem vierten Fall um Kriminalpolizistin Bettina Boll, ist der Deutschen Monika Geier eine wunderschöne Überraschung gelungen. Der gekonnt lakonisch erzählte Thriller um das Tal im Pfälzerwald, wo eine Wanderin verschwindet, Menschenknochen im Wildschweingehege ent- und allerlei dreckige Geheimnisse in den Nobelvillen und Ausflugsgasthäusern aufgedeckt werden, zeichnet sich durch glaubhafte Figuren, eine sympathische Heldin, eine wunderbare Atmosphäre (Winter im Wanderwald) und eine unterschwellige Bedrohung aus. Da möchte man nicht nur die anderen (leider versäumten) Bände lesen, sondern glaubt gleich auch ein bißchen mehr an das Genre "Lokalkrimi". Aber davon ein andermal mehr ...
Monika Geier:
Schwarzwild
Ariadne/Argument Verlag 2007,
309 S., € 11.00