Schmauchspuren.
No. 1
Die Kolumne von Peter Hiess
Gemordet wird allerorten - aus Leidenschaft, Geldgier oder purem Irrsinn. Peter Hiess untersucht die Einschußlöcher.
Sogar Privatdetektive - so coole Hunde sie auch sein mögen - werden einmal alt. Und so richtig cool war William Riskin, um den es in "Verschollen" geht, ohnehin nie. Nur der Experte für Scheidungs- und Ehebruchsachen in der kleinen Agentur "Three Eyes", der von einem seiner Partner zu einem Motel geschickt wurde, wo die eigene Frau es mit dem anderen seiner Partner trieb. Jetzt ist er im Ruhestand und alt. Fünfundsiebzig. Da fängt man sich nichts mehr Anstrengendes oder gar Gefährliches an. Aber was bleibt ihm über, wenn sein Ex-Partner stirbt und ihm einen geheimnisvollen Fall hinterläßt? Also macht sich William auf den Weg, in die Welt der angeblich nach Florida ausgewanderten, aber in Wahrheit verschwundenen Pensionisten. Und findet anfangs nur das, was er selbst aus seinem Dasein als alter Mensch kennt: das Übersehenwerden, die absolute Demütigung, die das Alter darstellt, den grausamen Verrat des eigenen Körpers. Erst später stößt er auf eine sehr böse und bis zum Ende überraschende Geschichte, die ihn fast den Kopf kostet. Man hat ja doch noch einiges zu verlieren, auch wenn man auf den Achtziger zugeht …
Grausam gut erzählte Geschichte aus einem Terrain, das bisher nur L. A. Morse mit seinen zwei Alter-Detektiv-Romanen abgehandelt hat - doch bei dem las sich das alles noch viel weniger depressiv. Hier heißt es: Nur die Guten sterben jung. Und die anderen müssen trotzdem irgendwie weitermachen.
James Siegel:
Verschollen
Bastei-Lübbe 2005,
334 S. € 7,95 (D)
In Zeiten der "doorstopper" - also jener Wälzer, die mindestens 600 Seiten haben müssen, um ihre oft kargen Storys zu erzählen - sehnt man sich nach den handlichen Krimitaschenbüchern von früher zurück, die man auf einen Sitz lesen (und dazu eventuell noch ein paar Filterlose im Schnellbahnabteil rauchen) konnte. Die US-Serie "Hard Case Crime" läßt diese Zeiten wieder aufleben und präsentiert genau das, was wir so vermißt haben: an klassischen "Schund" angelehnte Covers, Romane von etwa 200 Seiten Länge und genau die Hardboiled-Plots, die man in harten Zeiten wie diesen wieder braucht. Band eins der Reihe ist die Neuauflage des Romans "Grifter's Game", den Genre-Meister Lawrence Block 1961 schrieb: Kleiner Gauner und Frauenbetrüger findet zufällig einen Koffer voll Heroin und die Liebe seines Lebens, die dummerweise mit dem Gangster zusammen ist, dem der Stoff gehört. Da liegt Mord in der Luft. Ja, wir ahnen es: typischer Fall von Femme fatale. Aber wie lakonisch und gekonnt Mr. Block sowas schildern kann, das ahnt kaum jemand.
Gleich weiter also zu Band zwei im "Hard Case"-Sortiment. Der zeigt uns, daß Geschichten wie diese zeitlos sind; Max Phillips schrieb sein "Fade to Blonde" nämlich 2004. Handlungsort ist diesmal Hollywood, der glücklose Held ein Möchtegern-Screenwriter, der mit seinen Fäusten umzugehen weiß, die fatale Dame ein Starlet, das in Gangster- und Pornokreise geraten ist - und Hilfe braucht, was sonst. Schön ist, daß in Büchern dieser Art sogar die Protagonisten wissen, daß man sich auf sowas besser nicht einläßt. Wären da nicht diese Gefühle � Auch sehr lesenswert; "Pülp Fixxionn", wie der Franzose sagen würde. Aber den lassen wir nicht mitreden.
Bringen wir lieber endlich die Guten ins Spiel. Die Polizisten und -innen, die hier in einem Spannungsroman der britischen Investment-Firmen-Direktorin und Krimischreiberin Elizabeth Corley die Hauptrolle spielen, zum Beispiel. Inspector Fenwick und die junge Polizistin Louise Nightingale haben es hier mit einem Vergewaltiger zu tun, der seine Opfer via Internet findet, wo er als "Dämonenkönig" auftritt. Und als er im Gefängnis sitzt, geht der Terror trotzdem weiter, mit Mädchenmord und privaten Drohungen gegen die Ermittlerin. Nein, das ist zu konstruiert, das ist so angelegt, als wollte es nach Hollywood, das liest sich, als hätte es eine Investment-Firmenchefin geschrieben. I rest my case.
Elizabeth Corley:
Crescendo
Übersetzt von ?
Scherz Verlag 2005,
494 S., € ?
Es muß doch noch andere Frauen geben, verdammt! Solche, deren Abenteuern man schon vor Jahrzehnten gebannt folgte, ob sie einem nun als Comic, Krimi oder Kinofilm ins Gesicht sprangen. Frauen wie Emma Peel zum Beispiel - oder Modesty Blaise: Superagentin, Sexbombe, begabte Nahkämpferin, geniale Ermittlerin und schon damals aussichtsreichste Konkurrentin von James Bond. Der Schweizer Unionsverlag legt mit "Die Goldfalle" nun schon den zweiten Modesty-Roman neu auf. Gut so, davon kann man nie genug kriegen.
Peter O'Donnell:
Modesty Blaise - Die Goldfalle
metro/Unionsverlag 2005,
320 S. € 9,90 (D)
Am Schluß halt doch noch ein "doorstopper", für alle Krimifreunde, die's nicht lassen können. Val McDermid dürfen diese Unverbesserlichen lesen, weil die Frau sozusagen eine schottische Altmeisterin des Psychothriller-Wesens ist und ihr Ermittlerduo Tony Hill und Carol Jordan schon zum vierten Mal ins Rennen schickt: Prostituiertenmord - und laut Täterprofil ein Verdächtiger, der eh schon seit Jahren im Gefängnis sitzt. Da wird nicht zuviel gerätselt, versteht sich, und auch die Spannung hält sich in Grenzen. Aber ein Wochenende ohne Noir-Weltschmerz läßt sich damit locker herumbringen.
Val McDermid:
Tödliche Worte
Knaur Taschenbuch 2005,
525 S. € 8,95 (D)