Schmauchspuren.
No. 15
Die Kolumne von Peter Hiess
So viele Krimis, so wenig Zeit. Da Peter Hiess seit seiner letzten Kolumne fleißig gelesen hat, faßt er sich diesmal kurz, aber heftig. "Something happened, with electricity in it" - wie es in Lawrence Blocks "Lucky at Cards" so treffend heißt ...
Vor zwei Kolumnen habe ich mich hochoffiziell für mein Mißtrauen gegenüber Frauenkrimis entschuldigt - und zwar anhand des durchwegs gelungenen Romans "Schwarzwild" von Monika Geier. Der Verlag nahm dies zum Anlaß, mir die ersten drei Bücher um Kriminalkommissarin Bettina Boll vom Morddezernat Ludwigshafen zukommen zu lassen. Experiment gelungen, dreimal restlos begeistert. Sowohl die Mordgeschichten als auch die Milieubeschreibungen, das Privatleben der Ermittlerin und die Einblicke ins provinzielle Beamtenleben sind hervorragend geschrieben, spannend, witzig und manchmal auch erstaunlich tragisch - ohne je das öde Gutmenschen-Vokabular zu strapazieren. Fragen Sie also nicht lange nach den Plots, sondern besorgen Sie sich schleunigst die untengenannten Krimis, nehmen Sie sich ein paar Tage zum Lesen frei und warten Sie mit mir ungeduldig auf den nächsten Band der Serie. Besser geht's kaum.
Monika Geier
Wie könnt ihr schlafen/Neapel sehen/Stein sei ewig
Ariadne Argument Tb. 1999/2001/2003, 379/351/434 S.
je € 11,- (D)
Eine weitere Empfehlung von Verlagsseite war "Driver", ein unglaublich prägnantes und literarisch wertvolles Stück Noir von James Sallis (den man als Erfinder des Privatdetektivs Lew Griffin kennt).
Auch hier ein Volltreffer: Die Novelle um den namenlosen Hollywood-Stuntman Driver, der nebenbei als Fluchtautofahrer bei Raubüberfällen arbeitet, steuert zielsicher alle Punkte des Genres an, schleudert rasant durch Logikkurven und rast unfallfrei - wenn auch nicht unblutig - in die Zielgerade.
Dafür brauchen Sie nur ein paar Stunden Freizeit ...
James Sallis
Driver
Übersetzt von Jürgen Bürger
Verlagsbuchhandlung Liebeskind 2007,
159 S., € 16,90 (D)
So, und jetzt mit Tempo weiter: Die Serienmörder sind wieder los, diesmal gleich in zwei Romanen, wo die Kinder der Killer (naturgemäß schwer traumatisiert, wir kennen das ja von schlampigen Autoren) Jahrzehnte später ihre bösen Elternteile jagen sollen. In "Cruel - Eiskaltes Grauen" vom True-Crime-Spezialisten Gregg Olsen ist die Protagonistin Mitarbeiterin der Spurensicherung in einem kalifornischen Polizeirevier und Tochter einer herzlosen Männermörderin, die vor 20 Jahren auf ihrer Ranch einsame Junggesellen unter die Erde brachte. In höchst berechenbarer Weise wird die verdrängte Vergangenheit wieder lebendig, droht das Leben der Heldin zu zerstören und muß aufgearbeitet werden - wobei allen Beteiligten eine
gewisse Lustlosigkeit anzumerken ist.
In Schon-wieder-einem-Frühwerk des mittlerweile als Psychothriller-Schreiber berühmten Amerikaners John Katzenbach (wir berichteten) muß sich ein Psychologieprofessor - spezialisiert auf Serienkiller, was sonst? - mit den Sünden seines lustmörderischen Vaters herumschlagen. Der "Twist" dabei ist, daß der Roman aus dem Jahre 1997 in einer nahen Zukunft spielt, in der fast die gesamten USA in gewalttätiger Anarchie versinken. Nur ein neugegründeter Bundestaat will um den Preis persönlicher Freiheit alte Apple-Pie-Ideale wiederaufleben lassen; und ausgerechnet dort spielt sich die Konfrontation zwischen dem Irren und seiner alten Familie ab. "Das Rätsel" ist routiniert erzählt und nicht unspannend, rattert jedoch ebenfalls zu sehr auf eingefahrenen Gleisen dahin.
Gregg Olsen
Cruel - Eiskaltes Grauen
Übersetzt von Anja Schünemann
rororo 2007,
316 S., € 8,95 (D) |
John Katzenbach
Das Rätsel
Übersetzt von Anke Kreutzer
Knaur Tb. 2008
680 S. € 8,95 (D)/€ 9,20 (Ö) |
Da mögen wir die kleinen Gauner aus den alten Pulp-Geschichten, wie sie regelmäßig bei Hard
Case Crime erscheinen, doch viel lieber. In Richard S. Prather "The Peddler" (1952) ist der Antiheld ein wirklich unsympathischer Bastard, der als Zuhälter im Syndikat anfängt, ganz groß werden möchte, dabei über Leichen geht - und daran scheitert, daß sich Frauen schon damals nicht alles gefallen ließen.
Lawrence Block hingegen erzählt "Lucky at Cards" (1964) aus der Sicht eines echten Sympathieträgers: Den Exmagier und Falschspieler verschlägt es in ein Kaff irgendwo im öden Herzen der USA, wo die handelsübliche Femme fatale nur darauf wartet, daß er ihren reichen Gatten aus dem Weg räumt. Werden Anstand und wahre Liebe gegen Lust und Geldgier siegen? Die Antwort kennt nur der Krimifreund.
Zum Schluß garantiert Ihnen Erfolgsschriftsteller David Morell (der Erfinder von Rambo) eine durchwachte Nacht. Sein Thriller "Level 9", die Fortsetzung des gelungenen, mit Horrorelementen angereicherten Romans "Creepers", führt dieselben Protagonisten noch einmal ins Reich eines wahnsinnig-tödlichen Genies. Handelte Teil eins noch gekonnt das Thema der "Urban Explorers" ab, so wendet sich Morrell diesmal der ebenso ausführlich recherchierten Welt der Zeitkapseln und angeblich gefährlichen Computerspiele zu. Seine abenteuerliche Geschichte ist nichts für "Wahrscheinlichkeitskrämer", wie Meister Hitchcock langweilige Leser nannte, geht aber als gutgemachter Unterhaltungsunfug jederzeit durch - bis zu Endgegner und High-Score.
David Morrell
Level 9
Übersetzt von Christina Gaspard
Knaur Tb. 2008,
416 S., € 7.95 (D)/ € 8,20 (Ö)