schmauchspuren




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Schmauchspuren.
No. 28
Die Kolumne von Peter Hiess





Sind Krimihelden, wenn sie serienweise auftreten, von vornherein verdächtig? Dürfen wir nur den grübelnden Einzelgängern aus dem Noir-Genre glauben? Oder gerade denen nicht? Peter Hiess ermittelt.

compart-g-man-jerry-cotton.jpg Der deutsche Krimi-Boom ist keineswegs etwas Neues. Seit 1954 schreiben gute deutsche Autoren gelungene Kriminalromane - unter einem Namen: Jerry Cotton. Die Serie überzeugt durch Rekordzahlen (mehr als 850 Millionen verkaufte Exemplare usw.) und erlebt gerade durch einen Kinofilm unsäglicher deutscher "Comedians" eine Renaissance. Aber immerhin - der Streifen ist Grund genug für das wundervolle Buch aus der Tastatur des Genre-Experten Martin Compart: G-Man Jerry Cotton. Eine Hommage an den erfolgreichsten Krimihelden der Welt. Compart beleuchtet darin Cottons Erfinder und Autoren, die Protagonisten und Gadgets, die klassischen Filme mit George Nader, die deutsche Unterhaltungskultur samt Kritikern und vieles mehr. Und der Heftroman "Süße Bienen, blaue Bohnen" liegt als limitierte Sammlerausgabe auch noch bei. Wenn Sie das verpassen, könnte demnächst das FBI vor Ihrer Tür stehen �

compart-g-man-jerry-cotton Martin Compart:
G-Man Jerry Cotton

Lübbe Verlag 2010,
208 S., 29.99 €(D)

preston-child-cult Der G-Man, der Sie dann betreuen wird, ist hoffentlich nicht so ein Typ wie Special Agent Pendergast, der exzentrische Serienheld des US-Autorenteams Douglas Preston und Lincoln Child, der die schwer geprüfte Leserschaft seit dem Erfolgsroman Relic - Museum der Angst begleitet. Die zwei können Thriller schreiben, das demonstrieren sie auch mit dem neuesten Werk Cult - Spiel der Toten wieder - aber Pendergast nervt mit seinem familiär vorbelasteten Southern-Gentleman-Genie-Schmäh gewaltig. Diesmal geht's um Zombies, die in New York ihr Unwesen treiben, um eine uralte Sekte in einem vergessenen Winkel child-Nullpunkt Manhattans, um geheimnisvolle Zeichen und Symbole; alles Dinge also, die ein guter Rätselkrimi braucht. Den Pendergast-Faktor haben die beiden diesmal ein wenig zurückgenommen, weil sie anscheinend selbst schon merken, daß auch das Bestseller-Publikum gereizt reagiert. Durchschnittlich gute Unterhaltung also, könnte aber besser sein.
So wie zum Beispiel in Lincoln Childs neuem Soloroman Nullpunkt, einem Science-Abenteuer-Thriller um eine Klimaforscher-Expedition, die in Alaska ein vorzeitliches Monster aus dem Eis befreit. Was sich dann abspielt, ist natürlich höchst vorhersehbar, aber trotzdem spannend bis zum Schluß. Und kälter als bei den skandinavischen Krimilangweilern.

preston-child-cult Douglas Preston
Cult - Spiel der Toten

Übersetzt von Michael Benthack
Droemer Verlag 2010,
503 S., 19.95 €(D)


child-Nullpunkt.jpg Lincoln Child
Nullpunkt

Übersetzt von Axel Merz
Wunderlich Verlag 2010,
397 S., 19.95 €(D)

mothwurf-WerbevoodooViel wärmer und gemütlicher geht es im Lokalkrimi Werbevoodoo aus dem Gmeiner-Stall zu. Kein Wunder, ist der Protagonist des Autors mit dem unwahrscheinlichen Namen Ono Mothwurf doch ein Österreicher namens Thomas Wondrak, der als Kriminalhauptkommissar im bayrischen Fürstenfeldbruck arbeitet und eigenhändig für die höchste Mord-Aufklärungsquote Deutschlands sorgt. In seinem zweiten Fall geht es um eine Reihe mysteriöser Todesfälle in einer Starnberger Schicki-Werbeagentur - eine g'mahte Wiesen für den Autor, sozusagen, der selbst aus der Werbebranche stammt (und sie richtig gern hat). Das liest sich alles sehr freundlich, von der Vorliebe für guten Kaffee über die inspirierende Ermittlerkatze bis hin zum gut konstruierten Fall; leider geht Mothwurf gegen Schluß dann aber in in die Gutmenschenfalle, wo es heißen muß: Ach, was sind Zigeuner doch so liebenswert menschlich und mythisch und magisch! Und das verzeiht man ihm dann auch noch.

mothwurf-Werbevoodoo Ono Mothwurf:
Werbevoodoo

Gmeiner-Tb 2010,
276 S., 990 €(D)

zelazny-the-dead-mans-brother Über jeden Zweifel erhaben sind die Autoren der zwei nächsten Romane, die in der US-Pulp-Taschenbuchreihe Hard Case Crime erschienen sind. (Beachten Sie auch die deutschen Ausgaben bei Rotbuch!). Roger Zelazny (1937-1995) hat sich als Science-Fiction- und Fantasy-Autor einen guten Namen gemacht; als in seinem Nachlaß allerdings das Manuskript zu The Dead Man's Brother entdeckt wurde, durfte man das dem Krimifreund nicht vorenthalten. Zu Recht: Die Sixties-Geschichte um den New Yorker Galeristen und ehemaligen Kunstdieb Ovid Wiley, der im Auftrag der CIA im Vatikan und bei südamerikanischen Revoluzzern ein paar verschwundenen Dollarmillionen hinterherermitteln muß, funktioniert perfekt und zeigt, daß Zelazny praktisch alles konnte.westlake-the-cutie Bei Donald Westlake (1933-2008; veröffentlichte auch unter den Pseudonymen Richard Stark und Tucker Coe legendäre Krimis) ist das sowieso klar - und der erstmals 1960 erschienene Roman The Cutie ist einfach nur die willkommene Ergänzung der hoffentlich vorhandenen Sammlung. Stichworte: Profikiller für den Mob sucht einen miesen Killer und die wahre Liebe. Purer Existentialismus in Noir-Verpackung.
zelazny-the-dead-mans-brother Roger Zelaznyi:
The Dead Man's Brother

Hard Case Crime (Dorchester Publ.) 2009,
256 S., 6.99 US-$
westlake-the-cutie Donald E. Westlake:
The Cutie

Hard Case Crime/Rotbuch 2009,
250 S., 6.99 US-$


sallis-dunkle-schuld.jpgSchließen wir's literarisch ab: James Sallis, der nicht umsonst für Driver den Deutschen Krimipreis erhielt, ist ein wahrer Dichter. Und sein Roman Dunkle Schuld, um einen Ex-Cop und -Sträfling, der sich in den Südstaaten in die Aufklärung eines scheinbaren Ritualmords hineinziehen läßt, ein wahres Gedicht - ohne je prätentios zu sein.
American Gothic im 21. Jahrhundert.

sallis-dunkle-schuld.jpg James Sallis:
Dunkle Schuld

Übersetzt von Jürgen Bürger
Heyne Tb 2010,
302 S., 8.95 €(D), 9.20 €(Ö)




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Schmauchspuren. Von Peter Hiess
Ein Service der Alligatorpapiere
im
NordPark Verlag
Alfred Miersch
Klingelholl 53
42281 Wuppertal
Tel.:0202/51 10 89

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August 2010




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hiess-peter.gif Peter Hiess
Geb. 1959 in Wien, wohnhaft dortselbst. Seit frühesten Jahren vom Schreibvirus angesteckt, seit 1982 als freiberuflicher Journalist, Autor und Übersetzer (aus dem Engl./Amerikanischen) tätig. Ist beinahe jeder Art von Popkultur (und dazu zählt eindeutig NICHT Fußball) verfallen und gründete daher 1996 mit Klaus Hübner die Netzzeitschrift EVOLVER; dort jahrelang Chefredakteur, nunmehr Textchef und Herausgeber.
Zu seinen Buchpubiikationen gehören nicht nur Wienerwald-Wanderführer, sondern auch True-Crime-Werke (u. a. "Mordschwestern", "Die zarte Hand des Todes" - alle mit Christian Lunzer) sowie der Ostbahn-Krimi (in dem Kurt Ostbahn auf Dienstreise ist und daher der Trainer und Dr. Trash ermitteln müssen) "Peepshow" (mit Günter Brödl).
Seine Krimikolumne "Schmauchspuren" erscheint in der österreichischen Zeitschrift "Buchkultur".