Schmauchspuren.
No. 23
Die Kolumne von Peter Hiess
Decken Sie sich mit Kriminalromanen ein, am besten in Taschenbuchform. Kostengünstiger, intelligenter und zudem informativer können Sie Ihren Urlaub in Zeiten der Finanz-Supergangster gar nicht zubringen.
Alle reden von der Krise, sparen und werden eingespart, verstecken sich mit Atemschutzmaske zu Hause vor der Schweinegrippe. Nur die Verlagsbranche blüht und gedeiht, weil viele sich lieber ein Buch kaufen, statt teuer speisen oder ins Kino zu gehen. Und Krimis verkaufen sich am besten, weil wir in kriminellen Zeiten leben, wie die Wirtschaftskrise zeigt. Wegen der Flut an Neuerscheinungen, die das Volk mit spannender Unterhaltung durch den bevorstehenden Urlaub am Balkon bringen sollen, handeln wir unsere Empfehlungen und Warnungen diesmal blockweise ab.
Brennpunkt Österreich
Zuerst die beste Nachricht von allen: Kottan lebt! Der Major ("Inspektor gibt's kan!") wurde zwar fernsehmäßig vom ORF abgeschossen, doch es gab noch einige Zenker-Drehbücher, die nun als Hörspiele aufgenommen und vom DVD-Hersteller der TV-Folgen in einer netten, wenn auch schwer zu öffnenden Sammelbox veröffentlicht wurden. Sechs Episoden lang unterhalten in Das wahre Ende von Kottan Lukas Resetarits, Adolf Buchrieser (als Kottans bisher unbekannter Bruder!), Bibiana Zeller sowie Mat Schuh als Pilch und Franz Suhrada als Schrammel (beide: kein Vergleich ...) in chaotischen, an die Schlußphase der Serie erinnernden Fällen. Achtung: zu lustig für den Auto-CD-Player!
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Die zweite Entdeckung heißt diesmal Nora Miedler, ist Schauspielerin und wird zumindest von ihrem Verlag als neue österreichische Krimisensation gefeiert. Ganz so aufregend ist ihr Romandebüt Warten auf Poirot zwar nicht, aber die Psychogeschichte um fünf Freundinnen, die in einer einsamen Berghütte eingeschlossen sind, verrät Talent - auch wenn der Trick mit der unzuverlässigen Erzählerin nun wirklich nicht mehr neu ist.
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Miedler versucht's wenigstens, die beiden folgenden Herren hingegen setzen auf die etablierten Muster des Lokalkrimis und damit auf Gemütlichkeit: Der mittlerweile verstorbene Pierre Emme schickt seinen Wiener Ermittler und Feinschmecker Mario Palinski in Schneenockerleklat zu einem Kriminalistenkongreß auf den Semmering. Doch schon im Zug passiert ein Mord - und zu Hause wird noch dazu ein junger Verwandter seiner Liebsten gekidnappt. Bedächtig und berechenbar, das Ganze, aber für Freunde des Autors eine nette literarische Hinterlassenschaft. Im selben Verlag erschien Hermann Bauers "Kaffeehauskrimi" Karambolage, der schon eher ein Ärgernis ist. Der überfreundlich-aufdringliche Chefober Leopold, die Billardrunde und der klischeebeladene Kieberer nerven ein wenig; richtig störend ist aber die Tatsache, daß der Täter noch vor dem ersten Mord erkennbar ist. Muß nicht sein.
Helmut Zenker:
Kottan ermittelt:
Das wahre Ende von Kottan
EuroVideo 2009,
6 CDs, ? €(D) |
Nora Miedler:
Warten auf Poirot
Ariadne/ Argument 2008,
188 S., 9.90 €(D)
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Hermann Bauer:
Karambolage
Gmeiner Verlag 2009,
277 S., 9,90 €(D) |
Pierre Emme:
Schnee- nockerleklat
Gmeiner Verlag 2009,
422 S., 11.90 €(D)
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Tatort L. A.
Wer Raymond Chandler nicht kennt, hat auf dieser Seite sowieso nichts verloren. Der Todestag des Hardboiled-Klassikers jährt sich heuer zum 50. Mal, was der Diogenes-Verlag zum Anlaß nimmt, Chandlers Werke in den bewährten, schön schlichten Krimiausgaben neu zu veröffentlichen: die Romane um den tausendfach imitierten/parodierten und nie erreichten Privatdetektiv Philip Marlowe in einer Box; die Kurzgeschichten, Essays, Briefe und Notizbücher in Einzelbänden; Frank MacShanes vortreffliche Biographie des Autors sogar als Hardcover. Profis besitzen das alles, Anfänger brauchen es, Freunde und Verwandte freuen sich über das Gesamtwerk als Geschenk.
Raymond Chandler:
Die Philip-Marlowe-Romane
div. Übersetzer
Diogenes Verlag 2009,
Bände in Kassette, 55,-- €(D)
andere Werke:
div. Übersetzer; Diogenes
2009; € 9,90 bis 10,90 |
Frank MacShane
Raymond Chandler: Eine Biographie
Übersetzt von C. Hotz, A. Probst & W. Teichmann
Diogenes Verlag 2009,
480 Se., 22.90 €(D)
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Härte aus Hollywood
Kommen wir wieder zum inhaltlichen Rückgrat dieser Kolumne, der Vintage- und Neo-Pulp-Serie Hard Case Crime, die als Band 42 gleich zwei Krimis von Robert "Psycho" Bloch präsentiert, im Stil der alten Ace Double Novels, also als "Wendebuch", das von beiden Seiten ins Sündenbabel Hollywood entführt.
"Shooting Star" (1958) setzt einen "Private Eye" mit Augenklappe auf eine Mordserie an B-Western-Stars an,
hinter der in Wahrheit ein Drogendrama steckt - ausgerechnet um Marihuana, das Menschen in haltlose Killer verwandelt, wie wir alle wissen. Besser ist "Spiderweb" (1954), in dem ein hoffnungsvoller junger Mann statt einer Radiokarriere eine Ausbildung zum Psycho-Guru macht - ausgerechnet bei einem sinistren Professor, der ihn mit einer Mordsache erpreßt und immer tiefer in sein Spinnennetz zieht. Brillant. Man fragt sich nur, ob in weiteren 50 Jahren noch jemand die Verweise auf Kinogeschichte und alte Hollywood-Skandale verstehen wird ...
Noch einmal sei an dieser Stelle auf die deutschen Hard-Case-Ausgaben bei Rotbuch verwiesen, deren aktuelle Bände weiter unten aufgelistet sind.
Die Balkon-Hängematte wartet.
Robert Bloch:
Shooting Star/ Spiderweb
Hard Case Crime (Dorchester Publ.) 2008,
154 . S. / 160 S., 7.99 US-$ |
Ed McBain - Die Gosse und das Grab/Ken Bruen & Jason Starr - Crack/Lawrence Block - Falsches Herz/Max Phillips - Tödlich Blond:
div. Übersetzer
Hard Case Crime/Rotbuch 2009,
je 9.90 Euro
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