Schmauchspuren.
No. 27
Die Kolumne von Peter Hiess
Nicht jeder beherrscht die englische Sprache. Übersetzer und Lektoren jedoch sollten auch beim gemeinen Thriller wissen, womit sie es zu tun haben - und wie man's am besten auf deutsch sagt. Das meint jedenfalls unser Krimiexperte Peter Hiess.
Bevor wir uns kriminellen Details zuwenden: Es ist hoch an der Zeit, gegen die Ermordung der deutschen Sprache aufzutreten. Wo steht denn geschrieben, daß moderner Hollywood-Slang sich in der Übersetzung lesen muß, als hätte ihn die selige Berliner Synchron - häßlich modernisiert fürs Unterschichtenfernsehen - erbrochen?
Charlie Hustons Kriminalgroteske
Das Clean Team - um einen schwer traumatisierten Ex-Volksschullehrer, der in L. A. demotiviert dahinlümmelt, bis er einen blutigen Job bei einer Tatortreiniger-Firma annimmt - ist eigentlich ein gutes Buch. Die Story um den depressiven Mistkerl, der sich erst wohlfühlt, als er an Verbrechensschauplätzen Knochenreste, Gehirnspritzer und andere körperliche Hinterlassenschaften wegputzen darf, und der in eine absurd-witzige Geschichte um eine Femme fatale, ihren vertrottelten Bruder und ein paar inzuchtgeschädigte Hinterwäldler-Gangster verwickelt wird, kommt im Original sicher spritzig und rasant daher. Aber so? Was ist denn zum Beispiel "ein Wüstenei" (S. 372)? Wo gibt's dieses Ei? Warum hat hier das Lektorat geschlafen und nicht auf "die Wüstenei" korrigiert? Kann man das Steuer bitte herumreißen und nicht auch noch auf dem Buchmarkt den Piefke-Aggro-Rapper markieren? Charlie Huston hätte es verdient. Und nicht nur er.
Charlie Huston:
Das Clean Team
Übersetzt von Alexander Wagner
Heyne Tb.- Verlag 2009,
494 S., 8.95 €(D), 9.20 €(Ö)
Zur allgemeinen Beruhigung tragen Originalfassungen bei - so oder so. Die deutsche Variante findet sich etwa in der liebenswerten Reihe "Blaulicht", die DDR-Kurzkrimis (das realsozialistische Äquivalent zum westlichen Heftroman) nachdruckt. Schon die Lektüre des schmalen Bändchens, das die zwei je 40 bis 50 Seiten starken Erzählungen
Auf eigene Faust (ein Vergewaltigungsfall, beschrieben von Karl Heinz Weber) und
Rache ist kein Kinderspiel (Attentat auf einer ländlichen Großbaustelle, aufgeklärt von Bernd Diksen) enthält, überzeugt den Genrefreund, daß es hier noch viele Schätze zu heben und weitere Folgen zu besorgen gibt. Und ganz ohne Ostalgie: Man sehnt sich nach einer Zeit und einer Welt, in der die Genossen Ermittler vernünftig und als moralisch ungebrochene Charaktere an ihre Fälle herangingen. lesenswert.
Karl Heinz Weber - Auf eigene Faust
/
Bernd Diksen - Rache ist kein Kinderspiel
Verlag Das Neue Berlin 2009,
96 S., 4.95 €(D)
Im kapitalistischen Westen war immer schon alles dunkler, wenn auch durchaus unterhaltsam - wie zwei weitere Folgen aus der US-Noir/Pulp-Reihe Hard Case Crime (dem ständigen Begleiter dieser Kolumne) sehr schön zeigen. Den 50. Band der Serie,
Fifty-to-One, hat Mitherausgeber Charles Ardai selbst verfaßt. Dabei ist es ihm nicht nur gelungen, eine trashige Welt zu zeichnen, in der sein
Verlag bereits vor 50 Jahren gegründet wurde (und der Verleger einer der Protagonisten ist), sondern auch, die Kapitel nach den bisherigen 50 Publikationen zu benennen, in der richtigen Reihenfolge und auch inhaltlich passend. Und das ist mehr als ein kleines Kunststück - wir gratulieren!
Übrigens auch zu Band 51, Lawrence Blocks wunderbar nihilistischem
Killing Castro aus dem Jahre 1961, in der ein paar Profis, "drifter" und vom Schicksal geprügelte Männer den Auftrag zur Ermordung des kubanischen Parteivorsitzenden annehmen. Ohne Ardai und seinen Kollegen Max Phillips wäre dieses Buch wohl nie wieder erschienen. Und schade wär's.
Zur Unterstützung der gar nicht so weit hergeholten These, daß man sein halbes Leben (also: die Freizeit, den Rest kann man ja kein Leben nennen ...) mit der Lektüre abenteuerlicher Techno-Thriller verbringen kann und sollte, seien hier noch zwei beruhigend umfangreiche Taschenbücher angeführt, mit denen Sie problemlos Ferien, Flugreisen, Familienfeiern und andere Faxen hinter sich bringen.
Graham Brown, Pilot und Jurist, will der neue Michael Crichton werden (wer nicht?) und legt mit
Black Rain seinen Romanerstling vor: Ein supergeheimer amerikanischer Wissenschaftsgeheimdienst, eine möglicherweise unerschöpfliche Energiequelle in einer mysteriösen Pyramide mitten im Amazonas-Regenwald, attraktive Forscherinnen und Ex-Supersoldaten, wilde Eingeborene und schreckliche Monster machen Browns Werk zur unterhaltsamen Zwischendurchlektüre, die einstweilen noch nicht mit Crichton in seiner besten Zeit, aber eventuell mit James Rollins mithalten kann.
Der Shooting-Star Scott Sigler, dessen Genre-Podcasts so erfolgreich waren, daß ihn die großen Verlage schnurstracks aus dem Internet wegengagierten, liefert mit
Virulent die Fortsetzung zu seinem spannenden Killerparasiten-Alien-Invasion-Thriller
Infiziert (ebenfalls bei Heyne). Und die müssen Sie schon deswegen gelesen haben, damit Sie wissen, wie ein ehemaliger Football-Star, der sich selbst kastriert hat, zum Helden werden kann. Fast 700 Seiten Spannung, wenn auch ohne viele Überraschungen. Aber man kann nicht alles haben.
Graham Brown:
Black Rain
Übersetzt von Fred Kinzel
Blanvalet Verlag 2009,
542 S., 8.95 €(D), 9.20 €(Ö) |
Scott Sigler:
Virulent
Übersetzt von Martin Ruf
Heyne Verlag 2010,
669 S., 9.95 €(D), 10.30 €(Ö)
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