ņuco Camember aufzuklären. Die Polizei hat den Fall als Selbstmord zu den Akten gelegt. Ricardo Blanco ist bereits nach einem Studium er Ermittlungsakte überzeugt, dass Camember ermordet wurde. Denn Camembers Schussarm liegt falsch. Blanco beginnt unter den Freunden des Ermordeten in der Oberschicht von Gran Canaria zu ermitteln. Camembers Freunde hüten ein tödliches Geheimnis. Aber haben sie ihn auch umgebracht? Und wer will ihn umbringen?
Mit Ricardo Blancos erstem Fall "Drei Wochen im November" bringt José Luis Correa Gran Canaria auf die kriminalistische Landkarte. Und wie es sich für einen guten Privatdetektivroman gehört, interessiert sich Correa nicht für das touristische, sondern das dekadente Leben der Oberschicht. Denn Camembers Freunde sind schlimmer und egoistischer als die Gegner von Sam Spade.
Gleichzeitig – und das unterscheidet Blanco von Spade und Marlowe – erfahren wir viel über Blancos frühere Beziehungen und sein vorheriges Leben. Darüber vergisst José Luis Correa schon einmal die Kriminalgeschichte. Dann wird "Drei Wochen im November" zum Psychogramm eines Mannes in einer von Frauen beherrschten Welt. Denn fast immer sind sie die handelnden Personen und sie übernehmen die letzten Entscheidungen, während die Männer hier zum schwachen Geschlecht mutieren.
Ein Privatdetektiv kämpft gegen die Druiden: Malcolm Pryces "Aberystwyth Mon Amour"
Dank des Shayol-Verlages können endlich die hochgelobten walisischen Noir-Romane von Malcolm Price auf Deutsch gelesen werden. Der besondere Dreh bei den Fällen von Aberystwyth bestem und einzigem Privatdetektiv Louie Knight ist, dass die Stadt von Druiden beherrscht wird.
Die Nachtclubsängerin Myfanwy Montez beauftragt Knight, ihren verschwundenen Vetter Evans the Boot zu suchen. Knight übernimmt den Fall. Kurz darauf wird sein Büro verwüstet und er von den Druiden bedroht. Denn auch sie wollen Evans the Boot finden. Bei den Ermittlungen hilft Louie Knight die nassforsche Schülerin Calamity Jane. Sie gibt ihm auch den ersten Hinweis auf den Mörder der Schüler Bronzini, Brainbocs, Llewellyn und Evans the Boot. Danach hat der Lehrer Lovespoon seine Schüler umgebracht. Das Motiv ist ein verschwundener Aufsatz von der Intelligenzbestie Brainboc. Seine kriminellen Mitschüler Bronzini, Llewellyn und Evans the Boot schrieben von ihm ab und mussten, weil sie den Inhalt des Aufsatzes kannten, sterben.
Knight muss diesen Aufsatz, für den die Druiden über Leichen gehen, vor ihnen finden und den Mörder überführen. Denn Knight glaubt nicht, dass ein Lehrer seine Schüler wegen einem Aufsatz umbringt.
Auf den ersten Seiten von "Aberystwyth Mon Amour" erfüllt Malcolm Pryce die bekannten Hardboiled-Genreregeln, die er mit einigen ungewöhnlichen Details und Absurditäten würzt. Fast immer können die Druiden ganz einfach durch das organisierte, die Stadt beherrschende Verbrechen ersetzt werden. Dieses Terrain kennen wir seit den seligen Tagen von Dashiell Hammett, Raymond Chandler und Hollywoods schwarzer Serie: taffe Detektive, verführerische Frauen, eine Armee mehr oder weniger intelligenter Gangster und eine Gesellschaft, in der das Verbrechen bereits lange gewonnen hat.
Allerdings ist Louie Knight nicht halb so cool wie Humphrey Bogart. Ohne die Hilfe von Myfanwy Montez und Calamity Jane wäre er aufgeschmissen.
Außerdem sorgen der Ort der Handlung, die Anwesenheit von Druiden, ihre Kultur und die seltsamen Bewohner von Aberystwyth für zahlreiche frische Funken im Hardboiled-Genre.
Malcolm Pryces Erstling ist eine kauzige Liebeserklärung an den Hardboiled-Roman und die Schwarze Serie.
Ein Psychiater jagt einen Serienmörder: Keith Ablows "Der Diener Gottes"
Das FBI bittet den Psychiater Frank Clevenger um Hilfe. Eine rätselhafte Mordserie erschüttert die besseren Kreise der Vereinigten Staaten. Der Mörder bringt anscheinend wahllos Menschen um und seziert sie fachmännisch. Als Clevenger die Hinterbliebenen besucht, stellt er fest, dass sie alle nicht trauern. Im Gegenteil: gerade durch den Tod scheint endlich eine harmonische Familie entstanden zu sein.
Bei den Hinterbliebenen entdeckt Clevenger zwei Gemeinsamkeiten zwischen den Opfern und ihren Familien. Immer studierte ein Familienmitglied an der Elite-Universität Yale und der spurlos verschwundene Architekt West Crosse entwarf für sie Häuser.
Zur gleichen Zeit arbeitet der Yale-Absolvent West Crosse an seinem letzten und größten Projekt.
Keith Ablow, selbst ein Psychiater, interessiert sich in dem sechsten Frank Clevenger-Roman "Der Diener Gottes" nicht sehr für den Fortgang der Ermittlungen. Diese verlaufen innerhalb der bekannten Bahnen: Clevenger befragt Hinterbliebene, trägt Hinweise zusammen, stellt gewagte Vermutungen an und ist, ohne einen für die Polizei ausreichenden Beweis, überzeugt den Mörder zu kennen. Aber das Benutzen der vertrauten Strukturen ermöglicht es Keith Ablow, ein Psychogramm von West Crosse zu erstellen. Der Architekt (so auch der Originaltitel) sieht sich als Diener Gottes (so der ebenfalls treffende deutsche Titel). Er will perfekte Häuser schaffen, die die innersten Wünsche seiner Bewohner zeigen. Außerdem will er perfekte Familien erschaffen. Dafür muss er die störenden Elemente beseitigen. Wir erleben West Crosse bei seiner Arbeit, verstehen seinen Wunsch nach Perfektion und sehen die für die Betroffenen befreienden Folgen seiner Taten.
Für den Helden Clevenger sind daher die für ihn schwierigen Prüfungen nicht während der Jagd nach dem Serienkiller zu bestehen, sondern bei dem Kampf gegen seinen Alkoholismus und um seinen Adoptivsohn Billy, der von seiner Rolle als Vater überfordert ist und immer stärker auf die schiefe Bahn gerät.
Als kleiner, geradliniger Thriller unterhält "Der Diener Gottes" vorzüglich. Außerdem erfahren wir einiges über Architektur, Psychologie und die Möglichkeiten und Grenzen von Erziehung.
Ein Journalist jagt eine Familienmörderin: G. M. Fords "Die Spur des Bösen"
Frank Corso konnte wieder einmal seinen Mund nicht halten. Er behauptete in seinem letzten True Crime-Bestseller "Tod in Dallas", dass er wisse, wo Harding Coles die Leiche seiner Frau vergraben hat. Jetzt will ihn der Staat Texas mit einem nur für diesen Bundesstaat gültigen Haftbefehl vor Gericht zerren und, wenn Corso nicht verrät, wo die Leiche ist, inhaftieren. Corso hat allerdings keine Ahnung, wo die Leiche ist. Deshalb will er, bis die Frist der Anklagejury abgelaufen ist, untertauchen. Dafür hat er sich sogar seinen geliebten Haarzopf abgeschnitten.
Jetzt steckt er mit seiner Freundin, der Fotografin Meg Dougherty, auf einem verschneiten O'Hare International Airport fest und auf allen Fernsehkanälen wird gemeldet, dass Corso vor der texanischen Justiz flüchte. Da hat Corso die grandiose Idee, mit einem Mietwagen zum nächsten Flughafen zu fahren. Auf dem Weg dahin kommen sie in Wisconsin von der Straße ab, verunglücken schwer und finden in einer Hütte zuflucht. Als Corso die Bodendielen löst, entdeckt er mehrere Skelette. Anscheinend brachte die Besitzerin Sissy Warwick vor fünfzehn Jahren ihre Familie um und verschwand. Der örtliche Sheriff Trask fürchtet um seine Wiederwahl und bietet Corso an, ihn nicht nach Texas auszuliefern, wenn er die Morde aufklärt. Corso macht sich mit Meg auf die Suche nach Sissy Warwick.
Eines kann G. M. Ford mit der Reihe um den Journalisten Frank Corso nicht vorgeworfen werden: dass er sich wiederholt. In "Erbarmungslos" rettete er einen Unschuldigen aus der Todeszelle. In "Killerinstinkt" brachte er einen Verbrecherboss hinter Gitter. In "Die Spur des Bösen" sucht er in mehreren Bundesstaaten eine Serienkillerin. Jedes der Bücher ist anders aufgebaut und greift andere Themen auf. In "Die Spur des Bösen" ermittelt Corso, immer verfolgt von zwei texanischen Polizisten, zuerst die früheren Taten von Sissy Warwick bis hin zu ihrem Geburtsort, ehe er einen Hinweis auf ihren aktuellen Aufenthaltsort erhält. Er verfolgt "Die Spur des Bösen" bis zum bitteren Ende.
Corsos dritter Auftritt ist ein weiterer spannender, düsterer Thriller von G. M. Ford, der ihn auf der Höhe seiner Kunst zeigt. Die Geschichte bewegt sich rasant vorwärts. Mit wenigen Worten beschreibt er bildhaft Menschen und Landschaften. Die Dialoge sind pointiert. Auf den letzten Seiten gibt G. M. Ford seiner Geschichte einen weiteren Dreh, der einen atemlos zurücklässt. In einem Interview meinte der ehemalige Creative Writing-Lehrer G. M. Ford, dass er nur unterhalten wolle. Aber das tut er auf hohem Niveau.
Wie so oft führt das deutsche Cover auf eine ziemlich falsche Fährte. "Die Spur des Bösen" spielt im Winter. Allerdings nicht, wie das deutsche Titelbild suggeriert, in einer Großstadt, sondern im amerikanischen Hinterland in Wäldern und Kleinstädten. Die amerikanischen und britischen Covers mit der verschneiten Straße und der Holzhütte sind wesentlich treffender.
Der Meilenweit-weg-Mann spielt sein Spiel: Pete Dexters "Train"
Pete Dexter ist ein Writer's Writer. Andere Schriftsteller loben ihn. Er erhält Preise. Am bekanntesten dürfte in Deutschland Dexters auch verfilmter Roman "Tollwütig" (Paris Trout), für den er 1988 den National Book Award erhielt, und sein Drehbuch zu dem in den Fünfzigern spielenden Kriminalfilm "Nach eigenen Regeln" (Mulholland Falls) sein. Auch sein neuestes Werk "Train" wird seinen Namen nicht auf die vorderen Ränge der Bestsellerlisten katapultieren. Dafür ist es zu düster, zu episodisch und zu weit weg von den vertrauten Erzählkonventionen, obwohl Dexter eine ausgezeichnete Synthese zwischen Form und Inhalt vorlegt, die nach der Lektüre besser als während des Lesens ist.
"Train" spielt 1953 in Los Angeles. Dexter verknüpft die Schicksale eines Polizisten, einer von Schwarzen misshandelten Frau und eines jungen, schwarzen Golf-Caddies. Allerdings sind ihre Begegnungen eher zufällig und führen nicht zu einer sich gegenseitig beeinflussenden, sich geradlinig entwickelnden Geschichte. Meist bewegt Pete Dexter sich scheinbar abwesend durch seinen Roman, der sich grob in zwei Haupt- und mehrere Nebengeschichten aufteilt. Es gibt dabei etliche gelungene Episoden, aber dazwischen immer wieder Leerlauf. Leerlauf, der entsteht, weil unklar ist, welche Geschichte Dexter eigentlich erzählt. Genau deshalb ist am Ende des Buches der Tod einer der drei Hauptpersonen auch eher zufällig und berührt nicht wirklich.
Am meisten Zeit verbringen wir mit dem siebzehnjährigen Golf-Caddie Lional Walk, genannt Train. Er arbeitet auf dem noblen Golfplatz Brookline. Einer seiner Kunden ist der Polizist Miller Packard. Train nennt ihn Meilenweit-weg-Mann, weil er mit seinen Gedanken nie richtig bei dem Spiel ist. Packard ernennt Train zu seinem persönlichen Caddie.
Trains Leben nimmt eine entscheidende Wende, nachdem der Caddie-Einteiler Sweet mit einem Freund ein Segelboot überfällt, zwei Männer umbringt und Norah Still, die Frau des reichen Bootsbesitzers, vergewaltigt und misshandelt. Er schneidet ihr eine Brustwarze ab. Dies beschreibt Dexter in einer pornographischen Ausführlichkeit, die in erster Linie abstößt und für die Geschichte nicht nötig gewesen wäre. Immerhin musste Norah vor der Verstümmelung sehen, wie ihr Mann umgebracht wurde. Packard übernimmt den Fall, bringt die beiden Bösewichte um und verliebt sich in Norah. Er zieht zu ihr in ihr Beverly Hills-Anwesen.
Auf dem Golfplatz Brookline entlassen die Besitzer alle vorher beschäftigten Caddies. Train ist arbeitslos. Er bringt seinen Schwiegervater, den er niemals leiden konnte, um und taucht bei Plural, einem anderen Caddie und ehemaligen Boxer, unter. Gemeinsam leben sie in einer Boxhalle. Train findet auf dem Golfplatz Paradise Developments eine neue Arbeit. Als dieser Platz durch ein vom Besitzer gelegtes unterirdisches Feuer geschlossen wird, taucht Packard, der ein Foto von Train in einer Ausstellung gesehen hat, wieder in Trains Leben auf. Packard nimmt sich seines früheren Caddies an und baut ihn als neuen Golfstar auf. Denn Train ist ein ausgezeichneter Spieler. Nur der inzwischen blinde Plural fragt immer wieder, was Packard vorhabe.
In diesem Moment – der ersten Begegnung von Packard, Train und Plural – sind wir bereits auf Seite 305 angelangt und immer noch ist unklar, wie sich die Geschichte weiterentwickeln könnte. Denn die Morde von Train und Packard wurden nicht weiter erwähnt und Trains Arbeit auf Paradise Developments ist Packard vollkommen egal.
Allerdings wird immer deutlicher, dass die 1953 spielende Geschichte nur eine ausführliche Version von Packards Erlebnissen 1948 in Philadelphia ist. Damals ging er nach Mitternacht in abgelegenen Gebieten in Kneipen, pöbelte die Gäste an und lief dann vor ihnen weg. Wenn er schnell genug war, überstand er die Nacht ohne Verletzungen. In Los Angeles spielt der Meilenweit-weg-Mann Packard weiter mit den Menschen.
Der Spitzname von Train für Packard beschreibt Pete Dexters Buch sehr genau. Denn Pete Dexter spielt in "Train" ein Spiel, bei dem seine Absichten nie wirklich deutlich werden. Jedenfalls will er, wie der Meilenweit-weg-Mann, nicht im konventionellen Sinn gewinnen. Er begibt sich auf Umwege, die mit der Hauptgeschichte nichts zu tun haben. Er lässt Nebengeschichten, wie einen verschlagenen Ball, einfach fallen. Er hört irgendwann mit dem Spiel auf, ohne dass die Dramaturgie des Buches wirklich auf genau dieses Ende zusteuern musste. Insofern ist das düster-pessimistische Werk "Train" als intellektuelles Vergnügen gelungen, denn Pete Dexter skizziert im ersten Kapitel bereits den gesamten Roman, variiert dies während des ersten Zusammentreffens zwischen Packard und Train auf dem Golfplatz und fügt auf den restlichen, weit über 300 Seiten, Packards Haltung zum Leben mit den verschiedenen Episoden zusammen.
Links & Bibliographie:
Gianluca Morozzi:
Panik
Originalausgabe: Blackout
Ugo Guanda Editore, Parma, 2004
(übersetzt von Katharina Schmidt
Goldmann Verlag, 2006
288 Seiten, 7.95 Euro
Ein Interview mit Gianluca Morozzi:
http://www.infinitestorie.it
Noch ein Interview mit Gianluca Morozzi:
http://chictrills.altervista.org
José Luis Correa:
Drei Wochen im November
Originalausgabe: Quince dias de noviembre
Alba Editorial, Barcelona, 2003
(übersetzt von Verena Kilchling)
Unionsverlag, 2006
192 Seiten, 8.90 Euro
José Luis Correa auf der Krimi-Couch:
www.krimi-couch.de
Malcolm Pryce:
Aberystwyth Mon Amour
Originalausgabe: Aberystwyth mon amour
Bloomsbury, London, 2001
(übersetzt von Richard Betzenbichler und Katrin Mrugalla)
Shayol – funny crimes, 2006
240 Seiten, 12.90 Euro
Homepage des Helden:
www.louieknight.com
Keith Ablow:
Der Diener Gottes
Originalausgabe: The Architect
Headline Book Publishing, London, 2004
(übersetzt von Ute Thiemann)
Goldmann Verlag, 2006
320 Seiten, 7.95 Euro
Homepage von Keith Ablow:
www.keithablow.com
New Mystery Reader interviewt Keith Ablow:
www.newmysteryreader.com
Keith Ablow auf der Krimi-Couch:
www.krimi-couch.de
G. M. Ford:
Die Spur des Bösen
Originalausgabe: A blind eye
William Morrow, New York, 2003
(übersetzt von Helmut Splinter)
Goldmann, 2006
352 Seiten, 7.95 Euro
G. M. Ford auf der Krimi-Couch:
www.krimi-couch.de
January Magazin interviewt G. M. Ford:
http://www.januarymagazine.com/profiles/gmford.html
Pete Dexter:
Train
Originalausgabe: Train
Doubleday, New York, 2003
(übersetzt von Jürgen Bürger)
Liebeskind, 2006
400 Seiten, 22 Euro
Powell's redet mit Pete Dexter über "Train":
www.powells.com