Ulrich Kroegers Krimitipp
Die Krimikolumne
8/2009
Fritz Langs "M � Eine Stadt sucht einen Mörder" (1931) mit Peter Lorre in der Hauptrolle ist ein Kinoklassiker. Ein Meisterwerk, das Generationen von Filmregisseuren beeinflusste. Nun legt der amerikanische Graphic-Novel-Autor Jon J. Muth (Jahrgang 1960) eine Adaption eigenen Typs vor. Sein Comic-Roman "M" (Cross Cult, Ludwigsburg 2009, 208 Seiten, 25 Euro) lehnt sich inhaltlich an den Kriminalfilm an und lässt schon mit den ersten Bildern jene düstere Atmosphäre wiederaufleben, die für Langs Streifen so typisch ist. Doch das als bibliophiles Hardcover gestaltete Buch zitiert den Film nur, kopiert ihn aber nicht. Statt Standbilder des Films zu verwenden, ließ Muth Freunde und Familienmitglieder ganze Passagen nachspielen und fotografierte sie dabei. Diese Aufnahmen verfremdete er dann, verwischte Konturen und legte über das Ganze die Patina dezenter Sepiatöne. Der Effekt verblüfft: Muths Technik hilft dem Auge, sich zu konzentrieren und die paranoide Angst zu erkennen, von der die großen Verbrecher aller Zeiten stets so gern profitieren.
Parker gehört zwar zu den eher unbedeutenden Vertretern seiner Zunft, betreibt sein Gewerbe aber dennoch höchst professionell. Allerdings erfuhren wir in "Keiner rennt für immer" und "Fragen Sie den Papagei", dass auch ein Maximum an Abgebrühtheit nicht vor Fehlschlägen schützt: Die Beute des Banküberfalls im ländlichen Massachusetts musste erst mal zwischengelagert werden, um der Polizei entkommen zu können. "Das Geld war schmutzig" (Zsolnay, Wien 2009, 254 Seiten, 16,90 Euro) setzt uns nun ins Bild, wie die von Richard Stark alias Donald E. Westlake (1933 � 2008) in gewohnter Schnörkellosigkeit erzählte Geschichte ausgeht. Ohne den Inhalt zu verraten � das ist bei Krimis selbstverständlich verboten �, darf doch festgestellt werden: Starks moralfreier Held zeigt sich wieder in Topform, auch wenn die Dinge erneut nicht so laufen wie geplant ... Starks Parker-Romane sind "hinterfotzige, schön zynische Stories aus dem amerikanischen Alltag, mit bestechendem Sinn fürs Detail und glänzend abgekocht geschrieben" (Jörg Fauser).
Wie Richard Stark ist die aus Greenwich Village stammende Reggie Nadelson auf Platzierungen in der KrimiWelt-Bestenliste (www.arte.tv/krimwelt) abonniert. Zu Recht, wie ihr gerade ins Deutsche übertragener Roman "Kalter Verrat" (Piper, München 2009, 397 Seiten, 12 Euro) beweist. Der im Original 2006 unter dem Titel "Fresh Kills" erschienene "New-York-Krimi" setzt die Reihe um den russischstämmigen Cop Artie Cohen fort, die die Leser in die unterschiedlichsten Milieus von New York einführt, wobei die russische Gemeinde ("Kein Russe ließ einen gehen, bevor man nicht bis oben abgefüllt war") natürlich prominent vertreten ist. In einer Atmosphäre permanenter Bedrohung � in der Post-9/11-Ära ist die Terrorangst stets präsent und wird durch die Londoner U-Bahn-Anschläge weiter geschürt � nimmt Artie den 14-jährigen Billie auf, der wegen Mordes ("Russische Verwandte") zwei Jahre weggesperrt war. Artie ist hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu seinem Patensohn und der Angst, der Junge könnte nicht wirklich geheilt sein ...
Auch einen anderen Namen auf der Bestenliste muss man sich merken: Der Engländer Nick Brownlee (Jahrgang 1967) hat mit "Mord in Mombasa" (Knaur Taschenbuch, München 2009, 397 Seiten, 8,95 Euro) einen bemerkenswert routiniert geschriebenen Roman ("Bait", 2008) vorgelegt. Die Geschichte handelt von zwei Drop-outs, die davon leben, mit einem nicht mehr ganz rostfreien Boot und zahlungskräftigen Angeltouristen vor der kenianischen Küste herumzuschippern. Doch die Idylle trügt, wie schon die erste Szene an Bord eines anderen Schiffes unmissverständlich zeigt: Anstelle eines Schwertfisches wird ein Mann bei lebendigem Leibe aufgeschlitzt und über Bord geworfen. Die Leiche treibt an Land und setzt eine Kette dramatischer Ereignisse in Gang. So droht Brownlees sympathischen Hauptfiguren nicht nur der wirtschaftliche Ruin (die Touristen bleiben aus, denn �hier passierten einfach viel zu krasse Sachen�), sondern auch eine Konfrontation mit gefährlichen Gangstern. Und das in einem Land, wo ein rechtschaffener Polizist ein Held sein muss �
Zum Schluss mal ein Klassikertipp, der die engen Grenzen des Genres verlässt. Es geht erneut um ein Buch Jörg Fausers (1944 � 1987), dessen facettenreiches Werk � Fauser schrieb
neben Kriminalromanen auch Gedichte, Essays, Kritiken � wir Ihnen ja schon öfter ans Herz legten. "Rohstoff" (Diogenes, Zürich 2009, 327 Seiten, 9,90 Euro, auch erhältlich als Band II der wunderbaren Jörg-Fauser-Edition im Alexander Verlag, Berlin 2004, 303 Seiten, 19,90 Euro) ist ein autobiographischer Roman, der Fausers schmerzvolles Coming-out als literarischer Autor im Konflikt mit dem etablierten Literaturbetrieb nachzeichnet � ein Weg der weder die Opiumhöllen Istanbuls noch die Westberliner Polit-Kommunen anno 1968 noch peinliche Auftritte in Jugendklubs der Jungen Union ausließ. Und da es für unangepasste Literatur schon damals kein Geld gab, verdingte sich der Mitbegründer der Undergroundzeitschrift "Zero" eben bei der Wach-und Schutzgesellschaft. "Rohstoff" ist ein beeindruckendes Selbstporträt, bisweilen atemlos, manchmal langatmig � immer ehrlich.
Jon J. Muth:
M
Ludwigsburg, Cross Cult Verlag, 2009
208 Seiten, 25 Euro
Richard Stark:
Das Geld war schmutzig.
Wien, Zsolnay, 2009,
254 Seiten, 16.90 Euro
Reggie Nadelson:
Kalter Verrat.
München, Piper Verlag, 2009,
397 Seiten, 12.00 Euro
Nick Brownlee:
Mord in Mombasa.
München, Knaur Taschenbuchverlag, 2009,
397 Seiten, 8.95 Euro
Jörg Fauser:
Rohstoff.
Zürich, Diogenes Verlag, 2009,
327 Seiten, 9.90 Euro
Jörg Fauser:
Rohstoff.
Berlin, Alexander Verlag, 2009,
303 Seiten, 19.90 Euro
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