„Detective Bart Lasiter was in his office studying the light from his one small window falling on his super burrito when the door swung open to reveal a woman whose body said you’ve had your last burrito for a while, whose face said angels did exist, and whose eyes said she could make you dig your own grave and lick the shovel clean.“ Leider kann ich diese Zeilen nicht angemessen ins Deutsche übertragen, aber eins steht fest: Einen Roman, der so begänne, würde ich wohl nicht so schnell aus der Hand legen. Edward George Bulwer-Lytton übrigens lebte von 1803 bis 1873 und war laut Wikipedia (de.wikipedia.org) einer der erfolgreichsten englischen Romanautoren des 19. Jahrhunderts. Sein Nachruhm reduziert sich heute auf die ersten Worte seines 1830 erschienenen Romans „Paul Clifford“: „It was a dark and stormy night ...“
Ein anderer englischer Autor feierte nicht nur soeben seinen 80. Geburtstag, sondern ist als Mitbegründer und Ex-Präsident (1985 – 2000) des ehrwürdigen Detection Club, dem Autoren wie Agatha Christie, Dorothy L. Sayers und G.K. Chesterton angehörten, so etwas wie die graue Eminenz des englischen Kriminalromans. Wir meinen natürlich Henry Raymond Fitzwater, kurz H.R.F. Keating, der uns die wunderbaren, mehrfach verfilmten Inspector-Ghote-Romane geschenkt hat. Keating lässt seinen Helden bei der Polizei der indischen Millionenmetropole Bombay arbeiten, wo er sich seit seinem ersten Auftritt 1964 („The Perfect Murder“) nicht nur mit Verbrechern, sondern auch mit anmaßenden Vorgesetzten herumschlagen muss. Ganesh Ghote ist ein Sympathieträger, ein in der sozialen Hierarchie unbedeutender, manchmal etwas umständlich zu Werke gehender Ermittler, der in einem Sumpf aus Korruption und ethischer Verworfenheit die Fahne der Gerechtigkeit hochhält. In „Inspector Ghote reist 1. Klasse“ (Unionsverlag, Zürich 2007, 190 Seiten, 9,90 Euro), dem letzten von insgesamt vier jetzt wieder auf Deutsch vorliegenden Romanen („Inspector Ghote zerbricht ein Ei“, „Inspector Ghote geht nach Bollywood“, „Inspector Ghote hört auf sein Herz“), bekommt es der pflichtbewusste Beamte mit einem Meisterbetrüger zu tun, den er aus Kalkutta abholen und der Justiz in Bombay zuführen soll. Keating inszeniert die Konfrontation während einer zunächst ganz harmlos beginnenden Zugfahrt: Wie der durch moralische Skrupel und bürokratische Regularien gehemmte Inspector hier einem skrupellosen, mit allen Wassern gewaschenen Kriminellen und einer Reihe äußerst undurchsichtiger Mitreisender gegenübertreten muss, korrespondiert der Enge des Zugabteils die vor den Fenstern vorbeiziehende Weite des chaotischen Subkontinents. Dass der Leser dabei stets mehr weiß als der arme Polizist, mindert die Spannung ebenso wenig wie die Tatsache, dass Keatings meisterhafter Roman ganz unblutig daherkommt. Ein Krimivergnügen der besonderen Art, höchste Empfehlungsstufe.
„Ich schreibe jetzt seit mehr als 30 Jahren, und sie haben mich noch immer nicht in den Knast gesteckt“, zitiert Martin Compart auf dem Noirportal „mordlust.de“ den 1939 in Texas geborenen Krimiautor James Crumley. In einem Land, in dem „man nur heimlich liest – das ist so wie beim Onanieren“, will das wohl etwas heißen. Immerhin gibt es auch in den USA nur wenige Autoren, die ihre Helden heute so verkatert und desillusioniert die gewaltgeprägten Schattenseiten des amerikanischen Traums durchstreifen lassen wie dieser Autor, dessen Biographie übrigens in vielerlei Hinsicht der seiner geschundenen Figuren gleicht. Klassischer Hard-boiled-Stil ist das – ganz in der Tradition von Crumleys literarischem Vorbild Raymond Chandler. Keine Frage also, dass auch Milo Milodragovitch in „Land der Lügen“ (Shayol, Berlin 2007, 340 Seiten, 14,90 Euro) ein ziemlich harter Bursche ist, der nur eine Schwäche kennt: schöne Frauen. So wie Molly McBride, die für den stark auf die 60 zugehenden Privatdetektiv einen folgenschweren Auftrag hat … „Auf jeden Fall gehe nie wieder nach Texas“, schwört sich Milo am Schluss des Buches – doch das fänden wir nun sehr, sehr schade.
Dass hierzulande durchaus intelligente, humorvolle und spannende Krimis geschrieben werden können, zeigt ein Newcomer aus dem Süden der Republik. Max Bronski, der 1964 in München geboren wurde und seine Heimatstadt noch nie verlassen haben will, hat sich die Figur des Trödlers Wilhelm Gossec ausgedacht, der sein Geschäft im Schlachthofviertel in der Nähe des Oktoberfestgeländes betreibt. Dieser Gossec nun ist ein herzensguter Mensch und hilft in „München Blues“ (Kunstmann, München 2007, 173 Seiten, 16,90 Euro) eines Abends einem sturzbetrunkenen Landtagsabgeordneten auf die Beine, bevor der seinen Rausch auf der Straße ausschlafen kann. Doch wie es sich so fügt, sind dem nicht ganz trinkfesten Politiker während seiner bierseligen Auszeit Papiere gestohlen worden, hinter denen einige finstere Herrschaften her sind. Was folgt, ist eine mit beißendem Witz erzählte Geschichte, in der es um Korruption, Immobilienspekulation und hemmungslose Geldgier geht. So realistisch, so schlecht, „wäre da nicht Gossec mit seinem völlig überholten Gerechtigkeitssinn“. Noir auf bayerisch – das hat was. Mehr davon, bitte!
H.R.F. Keating:
Inspector Ghote reist 1. Klasse.
Zürich, Unionsverlag 2007.
190 Seiten, 9,90 Euro
James Crumley:
Land der Lügen
Berlin, Shayol Verlag 2007,
340 Seiten, 14,90 Euro
Max Bronski:
München Blues
München, Kunstmann Verlag, 2007,
173 Seiten, 16,90 Euro
Ulrich Kroegers Krimitipp
Eine Kolumne
Ein Service der Alligatorpapiere
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