Ulrich Kroegers Krimitipp
Die Krimikolumne
6/2010
Die humorlose Moralschwere seiner Kriminalromane ist schon kaum zu ertragen. Noch schlimmer jedoch ist Henning Mankells Ausflug in die harte Welt politischer Realitäten geraten: Durch Unterstützung der sogenannten Gaza-Hilfsflotte und Hasstiraden gegen Israel ("Apartheidsstaat") hat sich der notorische Gut-Mensch aus Schweden zum nützlichen Idioten der Hamas-Terroristen gemacht. Nur gut, dass die Wallander-Serie jetzt im Alzheimer-Nebel versinkt � wer weiß, was für krude Ideen der Bestsellerautor seinem selbstmitleidigen Kommissar sonst noch eingeflüstert hätte.
Welche Wohltat, die behäbigen Klagen des alternden Weltverbesserers gegen die forsche Cleverness eines jungen Bankräubers zu tauschen, dessen minutiös geplanter Coup am Ende doch furios scheitert. Duane Louis � der Mann heißt im wirklichen Leben Duane Swierczynski (Jahrgang 1970) und schreibt einen der besten Autorenblogs ("Secret Dead Blog"), die es in den Weiten des Internets zu entdecken gibt � hat mit "Schnelle Beute" (Heyne Taschenbuch, München 2010, 366 Seiten, 8,95 Euro) einen echten Kracher rausgehauen. Das im Original 2005 unter dem Titel "The Wheelman" in New York erschienene Buch versprüht Witz in jeder Nuancierung und lädt zu einer atemlos vorwärtstreibenden Achterbahnfahrt ein, deren Blutzoll � das muss allerdings eingeräumt werden � nichts für empfindliche Gemüter ist. Anfangs geht ja noch alles glatt: Die 650.000 Dollar verlassen mitsamt ihren neuen Besitzern unbehelligt die Räume der Wachovia Bank im Zentrum Philadelphias und werden wenige Kilometer weiter ordnungsgemäß in einem unauffälligen Depotfahrzeug zwischengeparkt. Doch bald schon schlagen sich neureiche Russen-Clans, alte Itaker-Mafia, korrupte Ex-Bullen und dilettierende Junggangster um die "Schnelle Beute". Schnelligkeit ist überhaupt ein Schlüsselbegriff dieses Buches, das immer dann, wenn man denkt, wow!, das war�s jetzt, noch einmal das Tempo steigert, um schließlich auf einem Haufen verstümmelter Leichen in einem irrwitzigen Lachanfall und mit einer raffinierten Schlusspointe zu enden.
Liest sich Louis� abgedrehter Thriller wie ein permanenter Showdown, der mit dem Moment der Flucht aus dem Bankgebäude beginnt, lässt Adrian McKinty (Jahrgang 1968) sein deutschsprachiges Krimidebüt "Der sichere Tod" (Suhrkamp Taschenbuch, Berlin 2010, 464 Seiten, 9,95 Euro) etwas langsamer Fahrt aufnehmen. Der erste Band der in den USA preisgekrönten "Dead"-Trilogie ("Dead I Well May Be", 2003) ist die Coming-of-age-Story eines jungen Iren, der in der Heimat kein Auskommen findet � das Belfaster Sozialamt hat ihn beim Schwarzarbeiten erwischt und die Stütze gestrichen. Wie so viele seiner Landsleute erhofft sich Michael Forsythe jenseits des Atlantiks eine bessere Zukunft und lässt sich in New York von Verwandten einen Job bei einem irischen Mobster vermitteln. Doch Michael ist noch grün hinter den Ohren und baggert die Geliebte des Chefs an. Ein Fehler, der ihn in einen mexikanischen Dschungelknast bringt und fast das Leben kostet. Doch eben nur fast, und als Michael in die Staaten zurückkehrt, ist aus dem halbgaren Jungganoven ein kaltblütiger Killer geworden ... "Der sichere Tod" ist ein knallharter Gangsterroman, angesiedelt im New York der frühen 90er Jahre, wo uptown Crack-Dealer, Santería-Läden und abbruchreife Wohnblocks den Alltag prägen. Darüber hat man anderswo schon gelesen, aber selten so überzeugend. McKinty zeigt, wie Hard-boiled heute geht: Sein Realismus klagt nicht an, seine Coolness verzichtet nie auf Ironie. "Wer zu viel liest, fickt zu wenig", heißt es an einer Stelle � da sind solche Bücher ein echtes Problem.
Letzteres lässt sich auch über die Produktion des von uns hochgeschätzten Altmeisters Robert B. Parker (Jahrgang 1932) sagen, der leider Anfang des Jahres in Massachusetts gestorben ist. "Alte Wunden" ("Back Story", 2003) lautet die jüngste Veröffentlichung in deutscher Sprache, wie alle derzeit verfügbaren Spenser-Romane bei Pendragon (Bielefeld 2010, 221 Seiten, 9,95 Euro) erschienen. Der Bostoner Privatdetektiv mit der zerschundenen Fresse ("Das Gesicht eines Typen, der früher mal Boxer gewesen war. Besonders die Nase. Besonders die Narben um die Augen herum.") tut mal wieder jemand einen Gefallen und rollt einen alten Fall aus den 70er Jahren auf. Einer Zeit, als auch in den USA wild gewordene Bürgerkinder Revolution spielten und drogenumnebelt mit Pistolen herumfuchtelten. Dass nicht jeder heute gern daran erinnert wird, merkt Spenser schnell � sogar entsprechende FBI-Akten sind verschwunden ... Knapp 40 Spenser-Romane hat Parker seit 1973 geschrieben, "Alte Wunden" ist einer der besten. Hard-boiled comme il faut, und mit einem Schuss altersweiser Melancholie. "Ich machte diesen Job, weil ich nun mal damit begonnen hatte. Wenn man sein Leben nach seinen eigenen Bedingungen leben will, sind es die eigenen Bedingungen, die man erfüllen muss. Was war es noch, was Hemingway gesagt hatte? 'Richtig ist das, was sich auch später noch gut anfühlt.'"
Wer den vom Lesen vielleicht ermüdeten Augen Entspannung schenken möchte, sollte in die optischen Noir-Welten des argentinischen Comic-Zeichners (Jahrgang 1959) Eduardo Risso und des US-Autors Brian Azzarello abtauchen. Aus ihrer mehrfach preisgekrönten 13-bändigen "100 Bullets"-Serie (2000 � 2009) sind bei Panini soeben die Bände 10 ("Dekadent") und 11 ("Das Einmaleins der Macht") erschienen (jeweils 192 Seiten, 24,95 bzw. 19,95 Euro). Dort gibt es eine superb gezeichnete Geheimwelt von Berufskillern zu entdecken � die Herren wurden verraten und suchen nun in wechselnden, letztlich in ein gnadenloses Jeder-gegen-jeden mündenden Bündnissen nach Vergeltung. Tarantino meets Chandler meets Batman � grandios.
Duane Louis:
Schnelle Beute.
München, Heyne Taschenbuchverlag, 2010
366 Seiten, 8.95 Euro
Adrian McKinty:
Der sichere Tod.
Berlin, Suhrkamp Taschenbuch, 2010,
464 Seiten, 9.95 Euro
Robert B. Parker:
Alte Wunden.
Bielefeld , Pendragon Verlag, 2010,
221 Seiten, 9.95 Euro
Eduardo Risso und Brian Azzarello
100 Bullets-Serie. Bd. 10: Dekadent
Berlin, Panini Verlag, 2010,
192 Seiten, 24.95 Euro
Eduardo Risso und Brian Azzarello
100 Bullets-Serie. Bd. 11: Das Einmaleins der Macht
Panini Verlag, 2010,
192 Seiten, 19.95 Euro
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