Kalender für Kriminalliteratur 2009" (Daedalus, Münster 2009, 141 Seiten, 7,95 Euro) trägt dem auf ebenso unterhaltsame wie nützliche Weise Rechnung.
Bruno Morchios Detektiv, ein Genießer mit einer Vorliebe für raffiniertes Essen und Mozart-Sonaten, geht seinem Gewerbe in Genua nach. Bacci Pagano hat dabei das in klassischen Krimis eher selten anzutreffende Privileg, als freier Ermittler auf gute Beziehungen zur Polizei zurückgreifen zu können. Das gilt auch für seinen jüngsten Fall, in dem er für eine Versicherungsgesellschaft tätig wird. Die Assekuranz würde gern die Auszahlung einer beträchtlichen Versicherungssumme umgehen, die einer jungen Witwe nach dem gewaltsamen Ableben ihres bedeutend älteren Ehemanns zusteht. Doch weder der eher pragmatisch denkende Ex-Linke Pagano noch sein idealistischer Freund, der Vicequestore Pertusiello, glauben an die Schuld der Begünstigten, deren öffentliche Vorverurteilung durch die Tatsache gefördert wird, dass sie als bettelarme Immigrantin aus Lateinamerika nach Italien kam... "Wölfe in Genua" (Unionsverlag, Zürich 2008, 283 Seiten, 16,90 Euro) gehört nicht zu den spannendsten Büchern Morchios. Seine Stärke liegt mehr im Atmosphärischen, das den besonderen Zauber der ligurischen Hafenmetropole ausmacht.
Was für ein völlig anderes Leseerlebnis bietet da James Sallis' "Deine Augen hat der Tod" (Liebeskind, München 2008, 191 Seiten, 16,90 Euro)! So mitleidlos wie Sallis lakonische Prosa ist hier das Business der Agenten, die im Dienste des US-Geheimdienstes zum Töten ausgebildet wurden, um den Kalten Krieg zu gewinnen. Einer von ihnen hat inzwischen den Rückzug ins zivile Leben geschafft, ein anderer ist durchgeknallt und zieht eine Blutspur durchs weite Land. Um die wild gewordene Bestie zu erlegen, muss die andere wiederbelebt werden die perverse Logik der Dienste kennt keine Gnade. Eine gespenstische Jagd beginnt, bei der Sallis' Ich-Erzähler dem Leser keine Möglichkeit lässt, sich auszuklinken. Über menschenleere Highways, durch dreckige Provinznester und schäbige Bars führt das Duell die Kontrahenten nach New Orleans zum unvermeidlichen, aber auch überraschenden Showdown. "Wenn die Haube abgenommen wird", heißt es da, "hat der Falke kaum eine Wahl. Er ist so etwas wie eine Maschine, existiert nur, um sich fortzupflanzen und zu töten. Und töten kann er am besten. Töten ist der eigentliche Grund dafür, dass er lebt."
Völlig frei von handelsüblicher Moral ist Richard Starks Welt. Der 1933 in Brooklyn geborene Autor, vielen Lesern eher bekannt unter dem Namen Donald E. Westlake, hat seiner 1962 begonnenen Reihe um den jenseits aller Regeln agierenden Berufskriminellen Parker zuletzt den Band "Ask the Parrot" hinzugefügt, den Zsolnay ("Fragen Sie den Papagei", Wien 2008, 253 Seiten, 16,90 Euro) jetzt auf Deutsch vorgelegt hat. Parker ist der Inbegriff der Coolness. Selbst als ihn nach dem Bankraub des vorhergehenden Romans ("Nobody Runs Forever", 2004) Suchtrupps mit Hunden durch den Wald hetzen und er plötzlich einem Fremden mit einem Gewehr gegenübersteht, behält Parker die Nerven. Nur um seelenruhig zuzugreifen, als sich die Gelegenheit zu einem neuen Coup ergibt. Parker ist eben ein Profi, Verbrechen sind sein Metier und jeder macht schließlich nur seinen Job. "Verdammt, warum lassen wir uns das gefallen?", schimpft einer von zwei Wachmännern, die Parker bei einem Einbruch überwältigt. "Weil er eine Pistole hat, Max", antwortet ihm sein Kollege. "Wir doch auch!" "Aber er hat sie in der Hand." Noch Fragen?
Andrew Vachss ist Krimikennern ein Begriff durch seine Burke-Romane, in denen es um Gewalt gegen Kinder und um das Thema Selbstjustiz geht. In "Der Fahrer" (Rowohlt Taschenbuch, Reinbek 2008, 222 Seiten, 8,95 Euro) betritt der 1942 in New York geborene, ausschließlich für benachteiligte Kinder arbeitende Anwalt literarisches Neuland. Hauptfigur des in der Ich-Perspektive geschriebenen Buches ist ein etwas zurückgebliebener Junge, der immer nur eines will hinters Steuer eines Wagens: "Ich habe nie ein Auto geklaut, weil ich's behalten wollte; ich wollte bloß damit fahren." Eine fatale Leidenschaft, die Eddie die ganze Karriere von Erziehungsheim, Jugendknast und Strafanstalt einbringt. Dort lernt man bekanntlich fürs Leben: "Jede Truppe braucht einen guten Fahrer. Egal, wie glatt der Job läuft, wenn du mit der Kohle nicht wegkommst, war alles umsonst." Eddies Qualitäten bleiben nicht unentdeckt, bald fährt er für Ganoven bei Überfällen das Fluchtauto, bis er schließlich in die Fänge eines richtigen Gangsters gerät … Vachss' kleiner Roman ist ein berührendes Noirjuwel, dessen naiver Held dem Leser unversehens ans Herz wächst und dessen voltenreicher Schluss alle Möglichkeiten offen lässt. Schön, so was.
Christina Bacher (Hrsg:)
Tatort Türkei Kalender für Kriminalliteratur 2009
Münster 2009, 141 Seiten, 7,95 Euro, Daedalus, 2009
141 Seiten, 7.95 Euro
Bruno Morchio:
Wölfe in Genua.
Zürich, Unionsverlag, 2008
283 Seiten, 16.90 Euro
James Sallis:
Deine Augen hat der Tod
München, Liebeskind, 2008
191 Seiten, 16.90 Euro
Richard Stark:
Fragen Sie den Papagei.
Wien, Zsolnay Verlag, 2008,
253 Seiten, 16.90 Euro
Andrew Vachss:
Der Fahrer.
Reinbek, Rowohlt Taschenbuch, 2008,
222 Seiten, 8.95 Euro
Ulrich Kroegers Krimitipp
Eine Kolumne
Ein Service der Alligatorpapiere
im
NordPark
Verlag
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