Krimi-Report No. 13 Krimi-Report
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Die Alligatorpapiere


Hans-Otto Thomashoff

»Keiner sah den anderen«
vorgestellt von Frank Kaufmann

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Der Autor:
Hans-Otto Thomashoff
, geboren 1964 in Köln, promovierte in Humanmedizin und Kunstgeschichte. Er ist Facharzt für Psychiatrie, hat als Generalsekretär der Kunstsektion des Weltpsychiaterverbandes mehrere Ausstellungen organisiert und arbeitet als Psychoanalytiker in eigener Praxis in Wien.

Der Rezensent:
Frank Kaufmann
ist als freier Korrektor und Lektor tätig. Er schreibt gelegentlich Rezensionen. Besondere Interessen: Dramatisches Schreiben und Kriminalliteratur.



Hans-Otto Thomashoff: Keiner sah den anderen Wien und ein Mord


Einen Ort der Gemütlichkeit hat der Wahlwiener Hans-Otto Thomashoff in seinem Krimidebüt für das Verbrechen gewählt. Wien, die alte Kaiserstadt, lässt hier ihren Charme spielen. Alte Hotels, die Cafékultur, die berühmten Fiaker und der Prater, fast schon klischeehaft verwendet der Autor all diese Kulturköstlichkeiten, an denen der Bildungsbürger, aber vielleicht nicht nur dieser, emsigen Gefallen findet. Und gemäß der altenglischen Krimiregel, nach dem das Verbrechen dort seine besondere Wirkung zeigt, wo es eigentlich nicht hingehört, wird der Mord im Zentrum der Wiener Kultur, jawohl, in der Oper begangen. Denn während der Kunstwissenschaftler Federer, der sich beruflich etwas verlaufen hat und hier den Inspektor gibt, sich mit seiner italienischen Freundin amourös in einem der hinteren Logenplätzen vergnügt, schlägt das letzte Stündlein des bulgarischen Baritons, der eben noch den Jochanaan in der Salome gibt und den Kopf nicht nur auf der Bühne verliert. Der große Sänger wird nämlich blutüberströmt in der Garderobe gefunden, sein Kopf ist verschwunden.

Thomashoff verbindet in diesem Roman geschickt das Kunstinteresse und die Spürnase eines Kriminalpolizisten, der die klassische Frage nach dem Täter beantworten soll. Hin- und hergerissen zwischen den Polen eines irgendwie falschen Lebens (es fühlt sich falsch an) und den tiefverwurzelten biographischen Antrieben (die Mutter ist schuld), die er sich bei seinem Psychoanalytiker aufdecken lässt, entpuppt sich Federer als zeitgemäßer Held, der es trotz dieser inneren Hindernisse schafft zu reüssieren. Hinzu kommen die äußeren Hindernisse, denn der Mord scheint auf die Mafia zu verweisen, findet man doch kiloweise Heroin in des Sängers Wohnung. Dieser scheint ein wahres Ekelpaket gewesen zu sein und alle, die ihn privat kannten, hassten ihn. So auch Salome alias Isabella Marea, deren Hass nicht nur auf die Bühne beschränkt blieb. Merkwürdig nur, dass Federers Ermittlungen von höherer Stelle diskret behindert werden.

Der Debütant Thomashoff setzt hier einen gelungenen Krimi in Szene, der einen interessanten Inspektor an einem klassischen, aber dennoch nach wie vor lohnenden Schauplatz auftreten lässt und eine, dies ist leicht zu tadeln, Handlung vorantreibt, die etwas schlicht ist, obwohl es an überraschenden Wendungen nicht völlig fehlt. Das Erfreuliche ist aber, dass der Autor eine Erzählstimme etabliert, der man gerne zuhört, weswegen der Leser auch interessiert weiterliest. Oder liegt es mehr an dem Charakter Federers, der ja eigentlich eine Art Künstler ist? Und sind geniale Mörder nicht auch im Grunde genommen Künstler? Zweifellos handelt es sich bei Federer um eine Art Geheimwaffe der Wiener Polizei.

Hier liegt ein gelungenes Krimidebüt vor, das zwar nur mittelmäßig spannend ist (ein Rätsel, wenig Action), aber durch den geschickt eingeschenkten Wiener Charme und den Künstlerkriminalisten Federer eine absolut amüsante Erzählatmosphäre aufbaut, in die man beim Lesen gerne eintaucht. Und was gibt es Schöneres für den Leser, als ein Bad in der Textwelt?


© by Frank Kaufmann, Kassel

Hans-Otto Thomashoff:
Keiner sah den anderen. Inspektor Federers erster Fall

Roman.
München: Piper, 2003
ISBN 3-492-23923-4,
228 S. (brosch.), EUR 8,90


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