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Jef Geeraerts

»Der Generalstaatsanwalt«
vorgestellt von Stefan Lichtblau

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Jef Geeraerts
geboren 1930 in Antwerpen, stammt aus gutsituierten Verhältnissen, genoss eine entsprechende bürgerliche Erziehung und besuchte eine französischsprachige Jesuitenschule. Nach dem Studium der Verwaltungswissenschaften trat er 1954 in den Kolonialdienst in Belgisch-Kongo ein, wo er während sechs Jahren stellvertretender Distriktverwalter war. Als nach der Erklärung der Unabhängigkeit des Kongos am 30 Juni 1960 die meisten weißen Bewohner überstürzt das Land verließen, kehrte auch Geeraerts nach Belgien zurück. Er empfand es jedoch als schwierig, sich wieder in die belgische Gesellschaft einzufügen, und geriet in eine Krise, in der er sich von seiner Familie trennte und zu schreiben begann.

Bio-Bibliographie beim Unionsverlag


Jef Geeraerts: Der GeneralstaatsanwaltAlbert Savelkoul, Generalstaatsanwalt von Antwerpen, hält sich für einen der fünf wichtigsten Männer Belgiens und seine Position für unangreifbar. Viel zu spät muß er erkennen, dass eine frühere Zusammenarbeit mit der Unterwelt ihn zu einem erstklassigen Erpressungskandidaten macht...

"Er mußte an ein Gespräch denken, das er vor einigen Jahren mit einem niederländischen Justizbeamten geführt hatte. Dieser hatte behauptet, dass Belgien kein demokratisches Land sei, weil es hinter den Kulissen von aristokratischen Salonpolitikern regiert werde." Dass diese Behauptung nicht weit von der Wahrheit entfernt war, hat sich Albert Savelkoul, der Generalstaatsanwalt von Antwerpen und zwielichtige Hauptfigur des Romans "Der Generalstaatsanwalt" von Jef Geeraerts schließlich eingestehen müssen.

Geeraerts, Jesuitenzögling, Kolonialbeamter im Kongo und Offizier in der belgischen Armee, malt ein drastisches Bild des heutigen Belgiens, das sich nach der Dutroux-Affäre zwar nach aussen veränderungswillig zeigt, aber im Inneren das "typisch belgische Verfahren" anwendet, "die Konfliktebenen derart zu vermischen, sodass sie sich letzendlich gegenseitig neutralisieren." So erweckt man den Anschein, "Veränderungen zu forcieren", aber die Absicht besteht "einzig und allein darin, alles beim Alten zu belassen." Ein Verfahren, das der Generalstaatsanwalt meisterlich beherrscht und dieser Wille, den Status Quo zu erhalten, hat ihn ganz nach oben gebracht: "Ich bin einer der fünf wichtigsten Männer des Landes. Ich habe Macht. Ich bin kerngesund. Und ich habe eine Frau." Doch seine Gegner haben Stellung bezogen und ein Fehler kann ihn ins Verderben führen...

Geeraerts vermeidet es gekonnt, ein reines Schwarz-Weiss-Gemälde des Helden zu zeichnen und so gelingt es ihm, die gebrochene Persönlichkeitsstruktur Savelkouls und die Entwicklung zum korrupten Menschen als geradezu biederen Ablauf darzustellen. Politische Macht wird nicht gut bezahlt und das schafft gerade durch den Umgang mit hochbezahlten Mitgliedern der Hochfinanz und Wirtschaft ein gewisses Ungerechtigkeitsgefühl. Die Kunst der Korruption besteht darin, dieses Gefühl auf geschickte Art zu bedienen.
Geeraerts schildert dies im Fall des Generalstaatsanwalts auf unnachahmliche Art und Weise. Bei der Ausübung einer der Haupttätigkeiten der Generalstaatsanwaltschaft, dem Zudecken von "delikaten Fällen", war Savelkoul gezwungen, einige Verfahrensfehler der Justiz durch Entfernen von Protokollen und Laborergebnissen zu vertuschen, was zwar zum Freispruch der Angeklagten in einem Drogenprozess führte, aber schlimme Fehler der Ermittlung verschleiern half. Das hinderte die erleichterten Angeklagten jedoch nicht daran, ihm ohne sein Zutun ein millionenschweres Bankkonto in der Schweiz einzurichten. "Nach dem Anruf aus der Schweiz tat er genau das, was jeder an seiner Stelle getan hätte: er verhielt sich, als wäre nichts geschehen und hob ab und zu kleinere Beträge von dem Konto ab."

Dies und ein paar weitere, nicht ganz legale Handlungsweisen, sind der Hebel, den Opus Dei, die funfamentalistischste der katholischen Bewegungen, ansetzt, um auf Geheiß der Gattin Savelkouls dessen unkeusche Lebensweise ( er hält sich eine junge Geliebte) zu beenden. Savelkoul ahnt nicht, daß seine fanatisch gläubige Frau die Aufnahme ihrer Söhne in den Opus Dei wünscht und durch die Vermittlung des Ordens ihren Söhnen einen Adelstitel verschaffen will, wofür sie bereit ist, ihren untreuen Ehemann und einen Großteil ihres Vermögens zu opfern.
Und der orthodoxe Orden nutzt durchaus weltliche Instrumente, um sich das Vermögen der Savelkouls einverleiben zu können und den Opus Dei um einen Jonkheer oder einen Baron reicher zu machen. "Zuerst wird diese puta [Geliebte] destabilisiert, und danach gibt es eine kleine Erpressung. Dieser Herr ist sehr verwundbar..."

Ist das Ausmass von Korruption und illegalem Handeln in der belgischen Gesellschaft schon erschreckend deutlich geschildert, so scheint die Aufdeckung der Gefahr, die von den diktatorischen Machenschaften Opus Deis ausgeht, das Hauptanliegen Geeraerts zu sein. Die Methoden der Organisation Opus Dei, um ihren Einfluss zu erweitern, sind annähernd präfaschistisch und wenn sie auch nur annähernd so tief in die politischen und wirtschaftlichen Handlungsebenen nicht nur Belgiens, sondern sämtlicher europäischen Staaaten verstrickt ist, wie Geeraerts es in diesem Kriminalroman beschreibt, dann kann es einem Angst und Bange werden. Da ist der unaufhaltsame Untergang des Generalstaatsanwalts Albert Savelkouls nur eine drastische Randerscheinung im Treiben dieser gewaltigen antidemokratischen Organisation ...

Jef Geeraerts, nach Georges Simeon und Hugo Claus der bekannteste Schriftsteller Belgiens, gilt als Großmeister des belgischen Kriminalromans. Er benutzt eine spezielle Mischung aus Krimi, Polit-Thriller und True Crime, um seine provokanten Wahrheiten zu Papier und an den Mann zu bringen. Seit 1968 löst er damit immer wieder Skandale aus, die im Wahrheitsgehalt seiner Geschichten begründet sind. Er kennt die Abläufe in Politik und Verwaltung aus eigener Erfahrung und gerade weil er seine Enthüllungen, anders als seinerzeit Günter Wallraff, in Form spannender Kriminalromane unter das Volk bringt, lässt die Vermutung, dass fast alle aberwitzig anmutenden Abläufe und Charakter in seinen Romanen der Realität entsprechen, dem Leser die Haare zu Berge stehen.

Jef Geeraerts:
Der Generalstaatsanwalt
Zürich:Unionsverlag 2002.
Hardcover.
Aus dem Niederländischen von Hans-Ulrich Jäckle
320 Seiten. EUR 19.80 / FR 33.90.
ISBN 3-293-00300-1

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