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No. 28
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Donna Leon

»Wie durch ein dunkles Glas«
vorgestellt von Frank Becker


Dantes Inferno...



leon-Wie-durch-ein-dunkles-GlasAuch in seinem fünfzehnten Fall stochert Commissario Brunetti wieder – und diesmal wörtlich zu nehmen – auf der Suche nach der Wahrheit im Schlamm der feinen Gesellschaft. Donna Leon hat ihren Roman um den venezianischen Ermittler düster "Through a Glass, Darkly" betitelt, deutscher Titel "Wie durch ein dunkles Glas". Die Insel Murano mit ihren Glasbläsereien steht diesmal im Mittelpunkt der Ereignisse, bei denen es um Umweltverbrechen, Korruption und um einen mysteriösen Todesfall geht. War es ein Unglücksfall oder Mord? Wenn ja, wer hat die Tat begangen und wer hat Interesse daran, den Nachtwächter einer Glasmanufaktur umzubringen? Welche Rolle spielen bei der Lösung des Falles Dantes "Inferno" und die verschlüsselten Aufzeichnungen des Toten? Wer je eine solche Manufaktur, eine "fornace" besucht und den Maestro bei seiner Arbeit gesehen hat, hat, spürt beim Lesen die grundsolide Recherche der Autorin und genießt die dichten Bilder, welche die ausgewiesene Venedig-Kennerin zeichnet.

Auch an ihren Figuren hat Donna Leon gearbeitet, läßt sie sich entwickeln. Sie gibt den dramatis personae frische Züge und stellt sie teils in neuen, raffinierten Konstellationen zueinander. Das kann natürlich nur der passionierte Brunetti-Fan herauslesen. Wie auch schon bisher bei Donna Leons Romanen spielen zunehmend die, nennen wir es zurückhaltend "Verknüpfungen" auf gesellschaftlichem Parkett, also auf administrativer, politischer und wirtschaftlicher Ebene, eine zentrale Rolle. Guido Brunetti, seine Frau Paola, sein Assistent Vianello und die geheimnisvolle Signorina Elettra mit den guten Verbindungen verkörpern das vermutlich berechtigte allgemeine italienische Mißtrauen gegen die mafiosen Strukturen in Verwaltung, Wirtschaft und Justiz - und die stille Auflehnung dagegen. Erfreulich auch, daß Donna Loen Figuren wie dem Bootsführer Foa und Wachtmeister Pucetti eine stärkere Identität gibt und den Vice-Questore Patta mit noch mehr Liebe zum eitlen und korrupten Detail zeichnet. Nicht zuletzt durch seinen brillanten Film-Darsteller Michael Degen ist Patta zu meiner heimlichen Lieblingsfigur im Ränkespiel der Polizei Venedigs geworden.

Geschickt baut Donna Leon in "Wie durch ein dunkles Glas" trotz der Feenhand des Frühlings, ihrer Blüten und Düfte die im Roman allenthalben beschworen werden, eine pessimistische, ja bedrückende Stimmung auf, eine Atmosphäre, in der wegen besagter "Verknüpfungen" Recherchen zu Umweltvergehen der Groß- und Kleinindustrie nur heimlich angestellt werden können. Daß dabei ein möglicher Mord den Dreck tiefer aufwühlt, als "interessierten Kreisen" recht sein kann, kommt Brunetti gerade zu pass. Doch er scheint auch hier gegen Wände zu laufen – bis Patta plötzlich auf seiner Seite zu stehen scheint. Das verblüfft nicht nur Brunetti. Doch der Mord scheint nicht beweisbar, der politisch ambitionierte Verdächtige kann sich der Justiz entwinden – bis sich ein Vaporetto-Kapitän der Linie 42 an einen Schwarzfahrer erinnert....

Ein Buch, das sich flüssig und in einem Zuge lesen läßt, beste Unterhaltung und bewährt von Christa E. Seibicke übersetzt. Nur über eines ärgere ich mich jedesmal aufs neue: wenn die Mobiltelefone "telefonino" genannt werden. Das habe ich in Italien noch nie gehört! Dort nämlich nennt man sie "cellulare" und nicht anders.


© by Frank Becker, Wuppertal




Donna Leon:
Wie durch ein dunkles Glas
Commissario Brunettis fünfzehnter Fall.
Roman
leon-Wie-durch-ein-dunkles-Glas
Zürich: Diogenes Verlag 2007
Gebd., 343 Seiten, 21,90 EUR.


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Die Autorin:
Donna Leon, geboren am 28.9.1942 in New Jersey. Mit 23 verließ sie New Jersey, wo sie 1942 geboren worden war, um in Perugia und Siena weiterzustudieren. Sie blieb im Ausland, arbeitete als Reiseleiterin in Rom, als Werbetexterin in London und als Lehrerin an amerikanischen Schulen in Europa und Asien. Sie lehrte englische und amerikanische Literatur an einer Universität in der Nähe von Venedig, wo sie seit 1981 lebt.
Zu ihrem Erstling kam Donna Leon über ihre Leidenschaft für die Oper. Während des Besuchs einer Probe im venezianischen Opernhaus �La Fenice� ereiferte sich ihr Begleiter: »Ich könnte den Dirigenten umbringen!« � »Ich mach's für dich, aber in einem Roman«, beruhigte sie ihn. Beide kundschafteten das Haus aus, um mögliche Fluchtwege für einen möglichen Täter zu finden, und Donna Leon erfand Commissario Guido Brunetti, um jenen zu fassen. Das Resultat war >Venezianisches Finale<.

Der Rezensent:
Frank Becker, *1947 in Berlin, studierte Germanistik und Philosophie. Er ist freier Journalist mit Schwerpunkt Feuilleton und ständiger Mitarbeiter des Remscheider General Anzeiger, der Westdeutschen Zeitung, des Magazins Bergische Blätter, des Online Musik Magazin und einiger Programm-Zeitschriften.
2006 gründete er Musenblätter. Das unabhängige Internet-Magazin für Kultur und Reise


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