Krimi-Report No. 25 Krimi-Report
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Hans-Peter Schwarz

»Phantastische Wirklichkeit«
vorgestellt von Thomas Przybilka

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Der Autor:
Hans-Peter Schwarz, geboren 1934 in Lörrach, hat in Hamburg, Köln und Bonn Politik und Zeitgeschichte gelehrt. Er ist u. a. Verfasser zweier Bände der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland über die Ära Adenauer und der zweibändigen großen Adenauer-Biographie. Schwarz ist Herausgeber der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte und der Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland. 1988 wurde Schwarz mit dem Historikerpreis der Stadt Münster, 1999 mit dem Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik ausgezeichnet. I

Der Rezensent:
Thomas Przybilka verdient seinen Lebensunterhalt als Buchhändler. Er ist langjähriges Mitglied der "Autorengruppe Deutschsprachige Kriminalliteratur Das Syndikat". 1989 baute er das international bekannte "Bonner Krimi Archiv (Sekundärliteratur)" [BOKAS] auf. Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht er regelmäßig seine "Krimi-Tipps zur Sekundärliteratur zum Krimi." Zahlreiche Publikationen zur Kriminalliteratur in Fachanthologien und -magazinen im In- und Ausland. Kriminalgeschichten in Deutschland, Bulgarien und Spanien.




schwarz-Phantastische-Wirklichkeit.jpg Phantastische Wirklichkeit


Hans-Peter Schwarz, Professor für Politik und Zeitgeschichte, bekannt geworden als Verfasser einer 2-bändigen Adenauer-Biographie und des Werkes "Geschichte der Bundesrepublik Deutschland", hat sich auf ein ihm eher neues Terrain begeben, was ihm bemerkenswert gut gelungen ist.
Hans-Peter Schwarz ist in die Szene der Polit- und Spionagethriller eingetaucht. Seine Betrachtungen zu einer Reihe von wichtigen Vertretern dieses Genres ist lebendig und locker geschrieben. "Phantastische Wirklichkeit" ist sowohl Typologie als auch Geschichte des Polit- und Spionagethrillers.
In chronologischer Reihenfolge ihres Erscheinens werden die Thriller von Erskine Childers, John Buchan, Eric Ambler, Graham Greene, Helen MacInnes, Ian Fleming, John Le Carré, Paul E. Erdman, Colin Forbes, Frederick Forsyth, Clive Cussler, Robert Ludlum und Tom Clancy in jeweils einem Kapitel ausführlich betrachtet und kritisch kommentiert. Eingeflossen in seine Betrachtungen sind auch die Biographien dieser Autoren und einer Autorin, die mitunter deutliche Parallelen zu den Lebensumständen ihrer Protagonisten aufweisen. Lesenswert ist sein Buch auch deshalb, weil Schwarz es bewußt vermieden hat eine tour d'horizon des Polit-/Spionagethrillers vorzulegen, sondern sich auf die oben genannten Vertreter des Genres konzentriert hat.
Mit kritischer, bisweilen auch ironischer Distanz, werden Werk und Leben dieser anglo-amerikanischen Schriftsteller betrachtet, so daß man als Leser neugierig auf die Thriller der Klassiker wie die der zeitgenössischen Autoren wird – sollte man sie nicht kennen, oder man wird nach der Lektüre von Schwarz' Interpretationen und Darlegungen angeregt, sie noch einmal zu lesen.
Spionage, Terror, Krieg, die Intrigen der Mächtigen in den Geheimdienstzentralen oder die der Staatenlenker und ihrer Entourage, die Wirtschaftsbosse und Finanzhaie in ihren undurchsichtigen und globalen Spielen, aber auch die Einsamkeit der Agenten im Einsatz, all dies wird von Schwarz flott und dennoch eindringlich beschrieben. Der Kalte Krieg; das Desaster, das Philby, Blunt & Co. der britischen Regierung bereiteten; die Angst vor Terror und (heißem) Krieg, ein Themenfeld, das Tom Clancy bestsellermäßig zu beackern weiß; jede Facette des Politthrillers und der Spionageliteratur wird vom Autor gründlich ausgeleuchtet. Schwarz schließt mit einem ausgezeichneten "Rückblick. Das 20. Jahrhundert im Polit-Thriller" sein Buch ab. Konservative Töne treten zeitweilig hervor, schmälern, in meinen Augen, das Werk des Autors aber nicht.
Allein schon in seinen Kapitelüberschriften gelingt es Schwarz, die verschiedenen Autoren und ihr Werke zu charakterisieren. Es lohnt daher, diese Kapitelüberschriften in voller Länge hier aufzuführen:
Erskin Childers entdeckt die deutsche Gefahr / Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit im Spiegel des Agenten-Schockers: John Buchan / Von Mitte der dreißiger bis Mitte der siebziger Jahre: Eric Amblers Anti-Helden in den Terrorwelten des 20. Jahrhunderts / Linker Großschriftsteller, Thrillerschreiber und IM im Geheimdienst Ihrer Majestät: Graham Greene / Die Queen des anti-totalitären Thrillers vom Zweiten Weltkrieg bis in die achtziger Jahre: Helen MacInnes / Der Snob als Superagent: James Bond und sein Erfinder Ian Fleming / Lauter ausgebrannte Fälle: Die Agentenwelt des John Le Carré / "The Crash of '79" oder Ein Jeremias der siebziger Jahre: Paul E. Erdman / Die Geheimdienstchefs als Retter Europas: Colin Forbes / "Those were the days, my friends": Frederick Forsyth im Kalten Krieg und danach / Clive Cusslers amerikanisches Jahrhundert / Das mafiose Imperium: Robert Ludlums Amerika / Zukunftskriege: mit Tom Clancy ins 21. Jahrhundert.
Einen wichtigen Vertreter des Genres hat Hans-Peter Schwarz allerdings unterschlagen: Den Briten Len Deighton. Ansonsten: Chapeau und Applaus.

© by Thomas Przybilka, Bonn


Hans-Peter Schwarz:
Phantastische Wirklichkeit
Das 20. Jahrhundert im Spiegel des Polit-Thrillers

München: DVA 2006
ISBN 3-421-05875-X,
352 S., (geb.), EUR 22,90.


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