KrimiKurier No.31 Herbst 2009 »Es gibt keine Privatdetektive in Irland. Das würden die Iren nicht ertragen. Das Konzept streift gefährlich nah den verhassten Informanten« Liebe Leser, Bekannte und Freunde, im Hinblick auf traditionelle Fußball-Rivalitäten, Wembley-Tor oder traumatisches Elfmeterschießen, und die gegenwärtigen Stimmungen in der EU, Irland hat gerade mit Hängen und Würgen "Ja" zu Europa gesagt und die britischen Torries haben das Europäische Parlament um eine neue euroskeptische Gruppe "bereichert", ist es ein besonderer Reiz gute Krimis von den Inseln und aus Deutschland in einem KrimiKurier gemeinsam vorzustellen. Viel Lesevergnügen - und nur das zählt - ist gleichwohl garantiert Viel Spaß beim Lesen wünschen Gisela Lehmer-Kerkloh und Jörg von Bilavsky
Ein Blick auf "Die Befragungen", den Fragebogen für deutsche und internationale Krimiautoren lohnt immer: www.alligatorpapiere.de/befragungindex.html. Gisela Lehmer-Kerkloh und Jörg von Bilavsky
Ken Bruen: Jack Taylor fliegt raus. Zürich: Atrium Verlag, 2009. Kart., 302 Seiten, 16.00 €. Taylor ist in Galway aus dem Polizeidienst geflogen, da er ständig betrunken war und die falschen Leute verprügelt hat. Nun träumt er davon jeden Pfennig zusammenzukratzen und nach London abzuhauen. Bis es so weit ist, macht er sich zum Privatdetektiv und das Grogan`s zu seinem Büro. Wenn er nicht betrunken ist, liest er sich durch die Weltliteratur. Taylor hat nur wenige Freunde, den durchgeknallten Künstler Sutton, Catherine, ein im Gefolge einer Rockband in Galway gestrandetes Groupie, und Sean, der Wirt des Grogan`s , der ihm einstweilen Kaffee mit Brandy serviert. Seine erste Klientin kommt zu ihm, weil sie nicht an den Selbstmord ihrer Tochter glaubt. Taylor klärt den Fall, wobei er kräftig mit seinen früheren Polizeikollegen aneinander gerät. Auch seine Freunde wollen mitmischen und in klaren Momenten erkennt Taylor die Verzweiflung, die alle vorantreibt. Ken Bruen gelingt es hervorragend Gegensätze zu vereinen, er schreibt hart und schnöde, philosophisch und stimmungsvoll. Genial übersetzt von Harry Rowohlt. (Bestellen bei Missing Link)
Iain McDowall: Gleich bist Du tot. München: dtv 2009. Kart., 396 Seiten, 8.95 € Brady, Annabel, Maria und Adrian sind intelligent, jung, und haben die Universität besucht. Ihre anschließende berufliche Karriere, die drei von Ihnen in ein Call Center geführt hat, war aber für Sie unbefriedigend. Bei ihrer Arbeit im Call Center sind Sie mit vielen und umfassenden Personaldaten in Kontakt gekommen. Diebstähle von Identitäten sind daher ein Leichtes für Sie. Auf dieser Basis starten Sie eine kriminelle Karriere. Sie entführen junge Frauen, erschrecken diese zu Tode und drehen über die Entführung einen Film, den sie schließlich den Medien zuspielen. So machen Sie sich als angebliche "Kunstterroristen" einen Namen. Doch das ist alles nur der Aufgalopp für die Entführung der aufstrebenden Musikerin January Shepherd. Angesichts dieses Täterprofils sieht sich das Ermittlungsteam um DCJ Jacobson und DS Kerr einer echten Herausforderung gegenüber. Sachnahe und profunde Darstellung der polizeilichen Ermittlungsarbeit, wobei die Ermittler auch nur Menschen mit Stärken und Schwächen sind, psychologische fundierte Aufarbeitung der Motivation und Interessenlage des Täters aber auch immer ein kritischer Blick auf die wirtschaftlichen und soziale Situation in England sind einige Markenzeichen von McDowalls Krimis. Der fiktive mittelenglische Ort Crowby mit seinem sozialen Brennpunkt Woodlands kann als Mikrokosmos verstanden werden, in dem sich die aktuelle Situation auf der Insel widerspiegelt. McDowall ist dabei aber nicht einseitig negativ, sondern einfach realistisch und teilweise humorvoll. So ist die Figur des John Shepherd, Januarys Vater, des Rockstars "im Ruhestand" mit jugendlichem (aber nicht blödem) Starlet nebst Swimmingpool, eine gelungene Karikatur manch lebender britischer Rocklegenden, die Sex and Drugs and Rock�n Roll überlebt haben und sich nun ein ruhige Zeit gönnen. Allerdings kehren die tatsächlichen Rocklegenden nicht zuletzt wegen fehlender Sonnenstunden nicht nach England zurück, sondern bleiben in Kalifornien oder an sonstigen sonnigen Orten. (Bestellen bei Missing Link)
Andreas Hoppert: Der Thule Code. Dormund: Grafit Verlag 2009. Kart., 287 Seiten, 9.95 €. Marc Hagen, Bielefelder Anwalt mit wechselvollem Werdegang (s. auch KK 24 Menschenraub) scheint langsam wieder Boden unter den Füssen zu gewinnen. Gerade hat er seine Anwaltszulassung zurückerhalten und kann die Kanzlei von Dr. Irene von Kleist übernehmen. Da kommt Günther Wehking mit der Bitte zu ihm, einen Brief für ihn zu verwahren und ihn nach seinem Tod seiner Tochter Edda zu übergeben. Kurz darauf stirbt Wehking und Hagen übergibt Edda den Brief. Dieser enthält eine verschlüsselte Botschaft, die nur mit vertieften Kenntnissen der germanischen Mythologie und der deutschen Geschichte entschlüsselt werden kann. Zeitgleich findet unter höchster Sicherheitsstufe der G 8 Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Sauerland unweit des Möhnesees statt. Die Mitglieder der Thule Gesellschaft, einer völkischen und antisemitischen Gemeinschaft, glauben es ist Zeit für die Götterdämmerung. Auch ist diese Gesellschaft ebenso antiquiert in ihren Ansichten, man hält noch die Folter nach Maßgabe der peinlichen Gerichtsordnung Karls des V. für rechtgemäß, wie mächtig. Das Buch lässt die Sehenswürdigkeiten Westfalens, die man, wenn man dort seine Kindheit verbracht hat, eher von mehr oder weniger kurzweiligen Familien- und Klassenfahrten kennt, in einem ganz anderen Licht erscheinen. So führt Hagen seine Suche nicht nur zur Wewelsburg, sondern auch zu den Externsteinen und zum Hermannsdenkmal. Aufbauend auf historischen Fakten gelingt ein spannender Thriller, der weniger durch Gewalt als durch Logik fasziniert und wieder einmal den Vergleich mit den berühmten amerikanischen Protagonisten des Genres nicht zu scheuen braucht. In diesem Falle ist aber eher Dan Brown als John Grisham (vgl. Zug um Zug) angesprochen. (Bestellen bei Missing Link) Michael Reinbold: Bachs Todeskantate. Springe: Zu Klampen Verlag 2009, Geb., 366 Seiten, 12.80 € "Wir werden niemals wissen, wie groß Bach in Wirklichkeit war". In seinem Buch Bach und ich (Arche Verlag 2000) geht der niederländische Schriftsteller Maarten`t Hart davon aus, dass drei von fünf Passionen und möglicherweise mehr als hundert der insgesamt dreihundert Kirchenkantaten Bachs verloren gegangen sind. Auch gibt es ein Gemälde von Bach gemalt von Elias Gottlieb Haußmann aus dem Jahr 1746 und möglicherweise hat Haußmann eine Kopie seines Gemäldes in 1748 gemalt. In Michael Reinbolds Krimi geht es nun sowohl um Haußmanns Portrait als auch um eine bislang unbekannte Hochzeitskantate. Beide werden in einem Stift in Heiligenwerder in der Nähe von Lüneburg gefunden, wobei immer wieder Menschen, die in Zusammenhang mit den Funden stehen, sterben. Es ist 1948 und Sir Henry James Willoughby, ein Captain der Royal Scots Grey und jetziger Offizier der Control Commission for Germany versucht mit Hilfe der Äbtissin des Heiligenwerder Stiftes Licht in die als Selbstmord getarnten Morde zu bringen. Alle Beteiligten scheinen eine gemeinsame Breslauer Vergangenheit zu haben und Willoughby hat es im Nachkriegsdeutschland bei seinen Nachforschungen als "Tommy" nicht leicht. (Bestellen bei Missing Link) Marcel Feige: Trieb. München: Goldmann Verlag 2009, Kart., 671 Seiten, 8.95 € Im Mittelpunkt des dritten Berlin-Krimis von Marcel Feige stehen erneut Polizeikommissar Paul Kalkbrenner und Polizeireporter Harry Sackowitz. Während Kalkbrenner den Mord an dem Industriellen Rudolph Fielmeister, dessen Leiche in einer Hotelsuite des besten Berliner Hotels Adler gefunden wird, aufklären muss, wittert Sackowitz die große Story hinter dem angeblichen Selbstmord des Berliner Staatssekretärs Schulze. Doch seine Redaktionsbosse verbieten ihm weitere Recherchen. Schließlich wird der mutige Reporter mit dem untrüglichen Spürsinn selbst zum Gejagten. Zur gleichen Zeit versucht der kleine Tabori, der mit der Hoffnung seinen Vetter zu finden, aus Albanien nach Berlin gekommen ist, auf den Berliner Straßen zu überleben. Er kommt dabei in pädophile Kreise. Zugegeben Feige ist nicht der einzige Autor, der Berlin-Krimis schreibt. Ihm gelingt aber immer eine abwechselungsreiche Melange aus der Darstellung aktueller sozialer Probleme der Hauptstadt, hier der Straßenkinder aus Osteuropa und der pädophilen Szene, basierend auf detaillierter Recherche, facettenreicher interessanter Charaktere, so Kalkbrenner und Sackowitz, und der gehörige Prise Spannung und Drive. (Bestellen bei Missing Link)
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