KrimiKurier No.15 Sommer 2005 "Ich lernte zwei wichtige Dinge: Selbstmitleid ist schädlich, und auf gar keinen Fall darf man Leuten bittere Wahrheiten verkünden, wenn man keine Hand frei hat, um zurückzuschlagen"
Liebe Leser, Bekannte und Freunde, für den 15. KrimiKurier schrieb Jörg von Bilavsky, Freier Redakteur für Politik und Kultur im Journalistenbüro b l o c k f r e i, eine Gastempfehlung zu Leonid Jusefowitsch Der mongolische Fürst. Der von Thomas Przybilka und mir erdachte Fragebogen für deutsche und internationale Krimiautoren wächst ständig (abrufbar unter www.alligatorpapiere.de/befragung.html). Einen heißen Sommer wünscht Gisela Lehmer-Kerkloh wünscht Gisela Lehmer-Kerkloh
617 Grad Celsius Dortmund: Grafit Verlag, 2005. Kart., S. 317, 9,50 € . Schauplatz des neuen Eckerts, des Meisters des Police Procedurals, ist wieder das Kriminalkommissariat 11 in Düsseldorf mit der neuen Hauptfigur Anna Winkler, einer jungen Kommissarin, die frisch von einem Einsatz in Bosnien zurückgekehrt ist. Anna stammt aus einer einflussreichen Familie in NRW. Ihr Vater hat sich vom einfachen Polizisten zum Landtagsabgeordneten hochgearbeitet und ihr Onkel ist der Ministerpräsident Uwe Strom. Nach einer Erdgasexplosion (Zündungstemperatur für Erdgas 617 Grad) im Mai 2005 wird der Kunstprofessor Peter Uhlig tot aufgefunden. Bei der Explosion sterben auch 8 Schwarzarbeiter aus Osteuropa. Die Ermittlungsarbeit führt Anna zu zwei anderen Fällen: Im Januar 2003 hat Anna den jungen und hoffnungsvollen Maler Daniel Lohse tot aufgefunden. Ihre weiteren Ermittlungen haben zu einer Verurteilung geführt. Im Jahre 1976 hat der junge und erfolgreiche Musiker Edgar Schwab in Polizeigewahrsam Selbstmord begangen, nachdem bei ihm mehrer Kilogramm Heroin gefunden worden waren. Die Aufklärung der Fälle stellt nicht nur Annas eigene Herkunft in Frage, sondern wirft auch ein Bild auf die Brutalität der Politszene und entlarvt scheinbare Gutmenschen wie Bernd Winkler, der alles daran setzt, den heimischen Bergbau zu retten. Am Ende verliert nicht nur die SPD die Landtagswahl. Mit gelungenen Rückblenden verarbeitet Eckert die drei Fälle und die verschiedenen Zeitebenen. So kann er seine Leser bis zur letzten Seite fesseln. Die Realitätsnähe und die hautnahe und unverblümte Schilderung des Politbusiness haben dem Buch in der Aufregung der NRW-Wahl nicht nur begeisternde Zustimmung eingebracht. Hierin ist letztlich aber ein Beleg für die Authenzität des Werkes zu sehen. (Bestellen bei Missing Link)
Der Dekan (Ü.: Verena Reichel) München, Wien Carl Hanser Verlag, 2004. Geb., S. 188, Euro 17.90 € Der Ich-Erzähler Spencer C. Spencer, Philosophieprofessor und Assistent des Dekans am College of Liberal Art Texas/Austin, ist Hals über Kopf in eine heruntergekommene Pension am Rande der Wüste geflüchtet. Er beginnt die ungewöhnlichen Ereignisse der letzten Jahre aufzuschreiben. Seine Aufzeichnungen berichten von seiner Freundschaft mit dem charismatischen Dekan Paul Chapman. Der Dekan, seit seiner Rückkehr aus Vietnam im Rollstuhl sitzend, ist außerordentlich intelligent und wird von seinem Feinden aufgrund übersinnlicher Fähigkeiten gefürchtet. Die Ereignisse kommen ins rollen als der Dekan mit seinem Assistenten einen teuflischen do ut des –Handel abschließt: er lässt Spencers Cousin und unliebsamen Nebenbuhler verschwinden, im Gegenzug beseitigt Spencer einen lästigen früheren Bekannten des Dekans. Ungewöhnlich spannend und sarkastisches Buch über die großen Fragen nach Tod und Leben und das Wesen des Bösen. Besonders clever von Lars Gustafsson ist, dass er die Universitätsangestellte Elisabeth Ney Spencers chaotische und unvollständige Aufzeichnungen finden lässt. Elisabeth ordnet Spencers Hinterlassenschaft und bestimmt dadurch die Struktur der vorliegende Geschichte. Eine weitere philosophische Frage über Logik und Rationalität tut sich auf. Lars Gustafsson lehrt an der Universität in Austin, Texas Philosophie. (Bestellen bei Missing Link)
Der mongolische Fürst. Iwan Putilin ermittelt. (Knjas wetra; U: Alfred Frank) München: Goldmann , 2005. Kart., S. 380. 9,95 € Zum dritten Mal lässt der ehemalige Geschichtsprofessor Leonid Jusefowitsch seinen pensionierten Kriminalpolizeichef Iwan Putilin in ruhmreichen Erinnerungen schwelgen. Buddhistische Sekten und ihre tödlichen Rituale sowie die Morde an dem mäßig erfolgreichen Schriftsteller Kamenski und dem mongolischen Fürsten Naidan Wan spielen in seinen Erzählungen über das kriminellen Treiben in St. Petersburg zum Ende des 19. Jahrhunderts diesmal die Hauptrolle. In welcher Beziehung die religiösen Eiferer und die Mordopfer zueinander stehen, entschlüsselt Putilin anhand der unpublizierten Erzählungen Kamenskis. Zwischen den Zeilen und bei seinen Verhören stößt er auf die Spur der Mörder, die aus politischen und finanziellen Motiven gehandelt zu haben scheinen. Doch für Spannung sorgt in diesem Fall nicht nur das literarische Rätsel, sondern auch der parallel zur zentralen Handlung eingeflochtene Bericht eines russischen Offiziers, der im Jahre 1913 die Mongolen in ihrem nationalen Befreiungskampf gegen China unterstützt. Seine Schilderungen lassen schließlich am Ende des Romans erkennen, welche Rolle der mongolische Fürst bei seinen Landsleuten und beim Tod Kamenskis gespielt hat. Jusefowitsch hat für diesen Roman mehrere Literaturpreise erhalten, unter anderem den in Russland sehr begehrten "Nationalen Bestseller-Preis". Zu recht. Wenn man bedenkt, wie realistisch und einfühlsam er die Charaktere und die Atmosphäre im Russland des 19. Jahrhunderts zu zeichnen vermag. Er versteht es meisterhaft, sein historisches Wissen mit leuchtenden Farben und Akribie in die äußerst komplex konstruierte Handlung einfließen zu lassen. Nach der Lektüre dieses historischen Kriminalromans weiß man nicht nur wer die Täter waren, sondern auch so ziemliches alles über den mongolischen Aberglauben und die verschiedensten Spielarten des Buddhismus. (Bestellen bei Missing Link)
Bosporusgold Hamburg: Rotbuch/Europäische Verlagsanstalt, 2005 Geb., S. 195, 18.00 €. Der Berliner Schriftsteller Eugen Meunier wird vom türkischen Geheimdienst in Istanbul um Hilfe gebeten. Es geht um eine Reihe brutaler Mordfälle, die seit Auffinden eines alten Dokumentes geschehen. Das Papier verspricht wundersame Schätze auf dem Grunde des Bosporus, die nur auf ihre Bergung warten. Es soll sich um den Staatsschatz des oströmischen Reiches handeln, der mit der Staatsflotte vor den osmanischen Eroberern "Konstantinopels" Anfang des 6. Jahrhunderts in Sicherheit gebracht werden sollte, bei einem Angriff jedoch im Bosporus versank. Besondere Brisanz erhält das Dokument, da die türkische Regierung ausländisches Kapital zum Bau einer neuen Brücke über den Bosporus sucht. Eine Beteiligung an den beim Bau gefunden Schätzen wird in Aussicht gestellt. Mehrer japanische Gruppen kämpfen um den Zuschlag. Eugen, sein türkischer Freund, der Antiquitätenhändler und Weingutbesitzer Mehmed Barkan sowie deren Freundinnen Selma und Esmahan bilden ein Team bei der Suche nach den Mördern. Die Spur führt Eugen geradewegs nach Tokio in die mörderischen Kreise der Yakuza. Gelungene Forstsetzung des ersten Bandes mit Eugen Meunier als Protagonisten (Die Erben des Dionysos, Rotbuch TB 1160), der ein Leben zwischen Berlin und Istanbul führt. (Bestellen bei Missing Link)
Edgar Wallace – Ein Leben wie im Film Leipzig: Militzke Verlag, 2005. Buch und Doppel Audio CD sind ein Spezialangebot zum 130. Geburtstag von Edgar Wallace zum Preis von nur 9.90 € Buch Kart., S. 224; CD gelesen von Rudolf Donath, Spielzeit ca. 2.30 h.. Wolfgang Schüler erzählt die Lebensgeschichte des berühmten englischen Kriminalautors Edgar Wallace (1875-1932). Aus einfachen Verhältnissen stammend gelingen Wallace während seiner Militärzeit in Südafrika erste Erfolge. Als Kriegsberichterstatter und Sensationsjournalist macht er sich einen Namen und steigt sogar zum Chefredakteur auf. Im Jahr 1904 erscheint sein erster Kriminalroman "Die vier Gerechten." Aber sein Weg führt nicht direkt nach oben. Sein ausschweifender Lebensstil, seine Spielleidenschaft und sein Leichtsinn bringen ihn mehr als einmal an den Rand des Ruins. Getrieben durch seine Gläubiger entfaltet er eine ungeahnte Schaffenskraft. Nach 183 Kriminal- und Sensationsromanen, 24 Theaterstücken, unzähligen Drehbüchern und Zeitungsartikeln stirbt Wallace 1932 in Hollywood, wo er zuvor noch an der Erstellung des Drehbuchs zu "King Kong" mitgearbeitet hat. Edgar Wallaces Lebensgeschichte ist voller Spannung und Überraschungen. Faszinierend erscheint mit welcher teilweise dreisten Selbstüberschätzung Wallace seinen Weg geht und auch Niederlagen wegsteckt. Besonders zu empfehlen sind die von Rudolf Donath gelesenen CDs. (Bestellen bei Missing Link)
Marx, My Love München: C. Bertelsmann Verlag, 2004 Geb.., S. 254, 19.90 €. Das frühere Enfant terrible der Bonner Journalistenszene, Anna Marx, arbeitet jetzt als Privatdetektivin in Berlin. Die lukrativen, interessanten Fälle lassen jedoch auf sich warten. Stattdessen bekommt Anna von der egozentrischen Filmproduzentin Rosamunde Stark den Auftrag, den aufdringlichen Drehbuchautor Harry Loos zu bespitzeln. Anna nimmt diesen Auftrag nur widerwillig und aus Geldnot an. Harry lebt zusammen mit der Kindfrau Lily und dem Polen Rafael, mit dem Marx schon bald eine amouröse Beziehung hat. Marx will den lästigen Job schnell loswerden, doch als die Filmproduzentin auf der Toilette eines Edelitalieners ermordet wird, und der Drehbuchautor plötzlich verschwindet, macht sich Anna auf Mördersuche. Gräns chaotische Protagonistin Anna Marx hat mit ihren roten Haaren und Schnodderschnauze in Berlin einen idealen Wirkungsort gefunden. Das Buch ist eine gute Satire auf die Filmwelt, aber auch die Welt der Privatdetektive (Private Eye Marx), und die Hauptstadt Berlin bekommen ihr Fett ab. In den 80er Jahren hat Christine Grän mit Anna Marx einen der ersten weiblichen Detektive in der deutschen Kriminalliteratur geschaffen. Eine Fernsehserie folgte, wobei die facettenreichen Figur der Anna Marx ihre filmische Umsetzung durch Thekla C. Wied bei weitem übertraf. Dies ist ihr grandioses Come-back. (Bestellen bei Missing Link)
Meßkirch: Gmeiner-Verlag , 2005. Kart., S. 420, 9.00 €. Ein unbekannter Roman des Novellenschreibers Theodor Storm gelangt in die Hände eines Videothekbesitzer auf Husum und bringt eine Mordserie ins Rollen. Erst wird die Angestellte der Videothek tot im Watt gefunden, dann werden der Videothekbesitzer, der Vorsitzende der Storm Gesellschaft und ein im "Fall Storm" ermittelnder Journalist jeweils durch Herzschuss hingestreckt. Bei der Klärung des Falles kämpft Kommissar Jan Swensen nicht nur mit vielen Ungereimtheiten, sondern auch um Anerkennung seiner buddhistischen Weltsicht durch seine Kollegen. Die Auseinandersetzung mit den psychologischen Theorien zu Storms Häwelmann und die Lektüre des Schimmelreiters führen ihn schließlich auf die richtige Spur. Packender Krimi mit viel Nordsee- und Theodor Storm Atmosphäre. (Bestellen bei Missing Link)
Kante Krümel Kracher Berlin: Jaron Verlag, 2004 Kart., S. 304, 19,90 €. In Kante Krümel Kracher erzählt Bosetzky die Geschichte einer Berliner Fußballer Familie über drei Generationen. Kante, Jahrgang 1933, hat nur einen Traum, einmal in der deutschen Fußballnationalmannschaft zu spielen. Technische Schwächen in der Ballbehandlung gleicht er durch seine körperliche Robustheit und seinen Einsatzwillen aus. Sein Traum geht aber nicht in Erfüllung und auch seinem Sohn Krümel, klein und schmächtig, aber ungeheuer ballgewandt, gelingt nicht der Sprung in die A-Nationalmannschaft. Enkel Kracher, der die Vorzüge seines Großvaters und seines Onkels auf sich vereinigt, bleibt es vorbehalten, den Familientraum zu erfüllen. In den Episoden aus den Jahren 1946 bis 2004 schildert Bosetzky nicht nur die Geschichte des deutschen und Berliner Fußballs sondern auch die deutsch-deutsche Geschichte, die im Brennpunkt Berlin besonders spürbar war und ist. Eingebettet sind diese Schilderungen in die Erlebnisse einer manchmal etwas skurrilen, aber liebenswerten Berliner Familie mit dem Titelhelden Kante in der Hauptrolle. Kante will sein Leben gradlinig wie sein Fußballspiel gestalten. Dieses gelingt aber nicht immer. Die Auseinandersetzung mit dem Phänomen Fußball erfolgt aber nicht nur auf der deskriptiven, sondern auch auf der intellektuellen Ebene. Kantes Freund Wolfgang, Schriftsteller und zeitweilig Kultusminister, sowie Krümel als späterer Psychologe sind für diesen Part des Buches zuständig. Bosetzky, der als ky den deutschen Soziokrimi begründete, knüpft an seine dokumentarischen Kriminalromane wie "Der kalte Engel" (vgl. KrimiKurier 6) an und verwebt geschickt Deutsche und Berliner Zeit- und Fußballgeschichte mit einer Familien-Chronik. (Bestellen bei Missing Link)
Delikatessen aus Unkräutern. Das Wildpflanzen Kochbuch Wien: Orac Verlag , 2005. Efalin, S. 168, 70 Fotos, Euro 19.00 €. Zwar gibt es viele Mordmethoden, doch am liebsten vergiftete Agatha Christie ihre Opfer. Die mordende Frau als Giftmischerin ist ein beliebtes Klischee. Graupe und Koller sind jedoch Männer und hegen keine düsteren Mordgedanken, sondern wollen kulinarische Köstlichkeiten hergestellt aus überall wuchernden Wildpflanzen vorstellen. Über 200 köstliche Rezepte mit bekannten und weniger bekannten "Unkräutern", appetitanregende Bildern und nützliche Informationen im Umgang mit der Natur. (Bestellen bei Missing Link)
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