Über Alan Furst
Home
Krimi-Report
Alle Rezensionen
Kontakt
|
Die Paris-Falle
Roger Levin hat sein Berufsleben als mittelgroßer Marihuanadealer begonnen und kam dank seines Rechtsanwalts Thomas Lieberman mit einem blauen Auge und soviel Geld heraus, daß er sich das Long Hai kaufen konnte, ein chinesisches Restaurant, um das er sich, wie er behauptet, liebevoll gekümmert hat, bis er es "durch eine idiotische alkoholisierte Wette an einen Knaben namens Athony aus Jersey City verlor." Danach übernahm er im Auftrag seines Rechtsanwalts dubiose Geschäfte. Geldübergaben, Observierungen. Zu einer bestimmten Zeit an einer bestimmten Stelle sein. Straßengeschäfte. "Durch New York City fließen Ströme von Geld, und eine Menge davon sieht nie eine Bank von innen." Nun soll er im Auftrag der Synagogengemeinschaft seiner Eltern eine hohe Summe an eine geheime israelische Untergrundorganisation in Paris überbringen. Doch zuerst wird Rogers Onkel umgebracht, und dann, in Paris angekommen, wird Levin in ein Netz internationaler Intrigen verwickelt...
In Paris stellt sich heraus, daß nicht das Geld, sondern ein Ring seines Onkels für verschiedene Gruppen von höchstem Interesse ist und daß Levin in der Wahl seiner Frauen, abgesehen von vielfältigen erotischen Überraschungen, nicht gerade überragende Menschenkenntnis an den Tag legt.
Furst zeigt in seinem zweiten Buch, dem ersten "Roger-Levin"-Krimi, der bei Ullstein nach seinem zweiten Levin-Titel (Geschäfte im Schatten) herauskam, daß er über einen sarkastischen Humor und ausgelassene Schreibfreude verfügt. Letzteres hätte das Lektorat bedenkenlos ein wenig zügeln können, Fursts Neigung, ein wenig zuviel des Guten zu tun, zeigt sich schon in diesem, bei Ullstein 220 Seiten umfassenden Roman. Es ist nicht lästig, den einen oder anderen Absatz sollte einfach überlesen, wer sich mehr an der immer wieder überraschende Wendungen nehmenden Geschichte erfreuen will. Aber viele dieser verspielten Abweichungen vom strikten Handlungsgerüst machen auch den Reiz des Romans aus: "Der Kommentator hat weißes Haar. Er trägt einen piekfeinen Anzug und spricht langsam und gebildet. Ein kerniger Unterton klingt bei ihm durch, eine Spur zu bissig. Er war selbst da gewesen, und das hat seine Stimme hart gemacht: Er war der letzte, der 1940 aus Paris herauskam; der letzte der 1970 aus Biafra herauskam; der letzte, der 1975 aus Saigon herauskam..." Und einige Absätze später: "Meine Mutter hängt an der Strippe. Sie will, daß ich zum Dinner nach Great Neck komme. Ihre Stimme ist für meinen Geschmack zu ironisch, genau wie die des Nachrichtensprechers. Auch sie hat alles miterlebt. Vielleicht bin ich für meine Mutter die Welt, die ständig im Krieg liegt - ich bin der letzte, der 1968 aus Great Neck herauskam..."
Furst schuf mit Levin den kleinen Gelegenheitsarbeiter, der immer mit einem Fuß auf dem Weg ins Gefängnis ist, nichts direkt Gesetzwidriges verübt: das kleine, etwas schmuddelige Überleben zwischen den Fronten der Bürgerlichkeit und des Verbrechens, mit der individuell ausdehnbaren Moral, einem Lebensplan, der den Zufällen folgt und einen großen Ermessensspielraum umfasst. Das wirkt auf den ersten Blick wie der krasse Gegenentwurf zu Chandlers moralischem Helden Philip Marlowe, doch im Verlauf der Geschichten erweist es sich eher wie eine zeitgemäßere, lebensnähere Auslegung, die auf gesellschaftliche Entwicklungen nach Prohibition, Zweitem Weltkrieg, McCarthy, Korea, Vietnam, Watergate und Drogen begründet ist. Der Held bleibt gebrochen, doch er steht nicht mehr ausserhalb der Gesellschaft und kämpft für eine saubere Welt, inzwischen pendelt er zwischen den Gesellschaftsschichten und hat erkannt, daß Marlowes Vorstellung von Moral und Sauberkeit eine Illusion ist, der zu folgen immer weniger möglich ist. Sarkasmus ist Levins Reaktion auf die Gegebenheiten und das ist nicht die schlechteste Art des Überlebens.
Die Paris-Falle.
Frankfurt/Berlin: Ullstein 1984
TB 10271 � Ullstein Krimi 224 S.
(Privatdetektiv Roger Levin)
Übersetzung: Michael Windgassen
Lektorat: Martin Compart
Die weiteren Titel folgen
|