Krimi-Report No. 15 Krimi-Report
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Die Alligatorpapiere


Marcus Starck

SexDotCom
vorgestellt von Stefan Lichtblau

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Der Autor:
Marcus Starck
wurde 1963 im Österreichischen Slazkammergut geboren. Eine steile Berufskarriere führte ihn in die Vorstandsetagen internationaler Verlagsgruppen in New York, London und München. 1998 wanderte er mit seiner Frau und seinen 6 Kindern nach Westaustralien aus. Nach dem Ausstieg aus dem Management eines Unternehmens der Erotikindustrie besann er sich seiner Wurzeln und entdeckte seine Liebe zum Schreiben wieder. Seither arbeitet er unter Pseudonym als freier Journalist und Schriftsteller. (Verlagsinfo)

Der Rezensent:
Stefan Lichtblau
ist Gründungsmitglied der "Alligatorpapiere" und träumt immer noch davon, schriftstellerisch schreiben zu können. Bis dahin betätigt er sich als Rezensent von Spannungsliteratur und als Suchmaschine für die Nachrichtenseite der Alligatorpapiere



Marcus Starck: SexDotCom Ein Schweizer Finanzkonsortium will den Dot-Com-Boom der New Economy ausnutzen und zu diesem Zweck gemeinsam mit dem australischen Pornokönig Brad Knight das Internet-Erotik-Unternehmen SexDotCom gründen. Da Brad Knight keinerlei Erfahrung mit börsennotierten Unternehmen hat und ihm außerdem noch Kontakte zu der kriminellen Bikergang Graveyard-Angels nachgesagt werden, holt man gegen seinen Willen den deutschen Manager Andreas Berger ins Boot, der das Unternehmen in einer erfolglosen australischen Minengesellschaft im Zuge eines Backdoorlistings platziert, um mit neuem Geschäftszweck den Aktienkurs in ungeahnte Höhen zu treiben. Brad Knight akzeptiert Berger vorerst als notwendiges Übel, der Konflikt zwischen den beiden ist jedoch vorprogrammiert und eskaliert, als Berger immer mehr die Kontrolle im Unternehmen übernimmt. Brad Knight entscheidet, dass Berger verschwinden muss ...

Andreas Berger ist ein gewiefter Mann im Aktiengeschäft und wird von der GEKKO VENTURE CAPITAL AG angeheuert, um als Vorstand ein neues Unternehmen am australischen Markt zu etablieren, die SEX DOT COM.
Das ist in diesem Fall kein besonders ehrenrühriges Unterfangen - nicht wegen Sex oder Pornographie, sondern wegen der Gründe - GEKKO verdient nicht nur daran, Unternehmen an die Börse zu bringen, sondern auch dadurch, nach einem guten Start die nicht ganz den Börsenrichtlinien entsprechend gebunkerten Aktien mit Millionengewinn zu verkaufen, ob das Unternehmen lebensfähig bleibt, interessiert zumindest die GEKKO AG nicht sonderlich.
Um den großen Reibach machen zu können, müssen allerdings einige Probleme bewältigt werden. Problem Nr. 1 ist Brad Knight. Er ist der eigentliche Kopf der "Erotica-Sexshop-Kette", mit dessen Eigentümer Rob Brown er die Idee, Telefonsex in Australien zu etablieren, mit großem Profit umsetzen konnte. Aus diesem Unternehmen soll mit dem Startkapital der GEKKO AG die Aktiengesellschaft SEX DOT COm geformt werden - nur verfügt Brad Knight "über keinerlei Praxis, was börsennotierte Unternehmen betrifft." Ausserdem ist er nicht nur sehr clever und geldgierig, sondern hat auch noch Verbindungen zu kriminellen Bikergang "Graveyard Angels" und ist somit nicht gerade die Galionsfigur eines "ehrbaren" Geschäftsgebarens. Für die Strategie, Geschäftsplan, Management ist Berger vorgesehen, Brad Knight soll als Geschäftsführer die schillernde Personalie darstellen, mit der sich die erotomane Kundschaft identifizieren kann.

Nur: Berger und Knight können es nicht miteinander - Berger entspricht ganz dem Klischee des typischen Deutschen - kühl, distanziert, korrekt, humorlos und Brad Knight ist undiszipliniert, wild, nicht teamfähig und will nicht akzeptieren, daß der Geschäftsführer eines Börsenunternehmens seine Entscheidungen vom Vorstand absegnen muß. Und sehr schnell reift in ihm der Plan, den spröden Deutschen aus dem Verkehr zu ziehen.

Was sich wie ein delikater Wirtschaftskrimi anhört, wird durch ein paar weitere Usancen zu jener düsteren und kriminellen Mischung, die "SexDotCom" ins Muster von Frank Nowatzkis "pulp master-Reihe" passen lässt. Knights Verbindung zur Bikergang "Graveyard Angels" um deren Anführer Mullett, die im Drogen- und Hurengeschäft arbeitet, sowie der korrupte Polizist Chuck Despott, der ihnen Informationen zuspielt, werden in einen drastischen Plot verknüpft, im dem gefickt, gesoffen und gemordet wird, als hätte der selige Mickey Spillane unter modernen Drogencocktails geschrieben. Das muß einem nicht gefallen, aber gerade die Diskrepanz zu der Mehrzahl der in unseren Buchhandlungen angebotenen Kriminalliteratur zeigt auf, daß sie sich im Bemühen, das Genre zu einer vom Feuilleton akzepierten Gattung zu machen, auch ziemlich weit von den Wurzeln der Kriminalität entfernt hat - dsa Böse wird zu einer auf dem Lesesessel goutierbaren Melange, die zum gepflegten Gespräch bei Rotwein und gutem Ambiente passt.

Das wird mit diesem Buch nicht gelingen. "SexDotCom" ist Schundliteratur im besten Sinne - schmutzige Sprache über eine schmutzige Welt, brutale Verbrechen in einer Männerwelt, die nach dem Gesetz der Stärke und Skrupellosigkeit funktioniert.

Ein derbes Buch mit einem immer spannender werdenden Plot und jenem schwarzen und tristen Ende, das zur härtesten Ausführung dieser Gattung, dem Noir-Krimi, passt.
Dennoch ist es kein gutes Buch, will sagen - es ist nicht gut geschrieben. Denn nur der spannende Erzählstrang hält zusammen, was die Sprache nicht zusammen halten kann. Starcks derber und spröder Stil ist weniger Methode als handwerkliche Schwäche. Seine Charaktere sind grob gezimmert, weil er sie (noch) nicht feiner zeichnen kann und die daraus resultierenden Klischees sind keine bewußte Überzeichnung, sondern Ausdruck fehlender schriftstellerischer Routine. "SexDotCom" ist deutlich ein Erstlingsroman, dem schriftstellerische und handwerkliche Eleganz fehlt, was besonders im Vergleich zum in der gleichen Reihe erschienenen souveränen Garry Disher deutlich wird.

Man mag darüber diskutieren, ob Starcks deftiger und harter Plot näher am Asphalt der Wirklichkeit ist, als die feiner gestrickten Romane manch talentierterer Autoren, die das Feuilleton favorisiert, ein Anspruch den die "Noir-Sektion" ja vehement vertritt.
"SexDotCom" ist jedoch endlich wieder ein Roman, der nachvollziehen läßt, wieso das Genre über Jahrzehnte mit dem Vorwurf "Schmutz und Schund" oder dem Etikett "Sex and Crime" leben mußte und tritt damit in die gewaltigen Fußstapfen eines Mickey Spillane oder Carter Brown. Das macht zumindest den Rezensenten trotz aller handwerklichen Schwächen Starcks auf weitere Bücher des Autors neugierig.

© by Stefan Lichtblau




Ihr Kommentar zu dieser Besprechung:





Marcus Starck: Sex Dot ComMarcus Starck:
SexDotCom

Roman.
Berlin: Maas Verlag, Reihe Pulp Master, 2003
ISBN: 3-929010-88-7,
384 S. (brosch.), EUR 13.80


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