KrimiKurier No.27 Herbst 2008 »Brahms trottete den Hamburger Berg entlang, fühlte sich als Hund, der gezwungen war, als Mensch zu leben« Liebe Leser, Bekannte und Freunde, der KrimiKurier diesmal mit Ermittler mit Hundeinstinkt: Gunter Gerlach: Liebe und Tod in Hamburg Schrecken des 20. Jahrhunderts: Ilka Remes: Das Erbe des Bösen Sonjas Empfehlung: Thomas Brezina: Der Schrei der goldenen Schlange Neapel-Krimi: Barbara Krohn: Was im Dunkeln bleibt Kaliber 64: Manfred Wieninger: Die Rückseite des Mondes, Restitution im Rijksmuseum: Adrian Mathews: Das Geheimnis des Meisters Und noch einmal der Hinweis auf die neue Kolumne LESEN MIT LEHMER auf der Internetseite der Stadtbuecherei Hamm zum Thema GIGANTEN (www.hamm.de).
Ein Blick auf "Die Befragungen", den Fragebogen für deutsche und internationale Krimiautoren lohnt immer: www.alligatorpapiere.de/befragungindex.html. Gisela Lehmer-Kerkloh
Gunter Gerlach: Liebe und Tod in Hamburg. Brahms ermittelt Hamburg: Ellert & Richter Krimi 2008. Kart., S. 192, 8.95 €. Nach dem Tod in Hamburg (Ellert&Richter 2008) kommt nun auch die Liebe zu Brahms. Brahms ist ein hanseatischer Kaufmannssohn, der das Familienunternehmen, Kaffee-Import und Großrösterei, nicht übernehmen will. Stattdessen spielt er in einer Band und hat sich selbst zum Privatdetektiv ernannt. Denn Brahms hat ein Geheimnis, er ist halb Mensch, halb Hund. Nicht nur seine Gebärden, seine große Nase und sein langes, struppiges dunkles Haar verweisen auf den Hund, auch sein ausgeprägter Geruchssinn und sein untrügbares Ermittlungsgespür zeichnen ihn aus. Wie Brahms scheint die Unbekannte in der Bar halb Mensch und halb Hund zu sein: "Eine große Frau trat ein. Ihr dunkles Haar hatte gelbe Flecken, fast wie das Fell eines Schäferhundes" (S. 8). Schon der erste Kuss verwickelt Brahms in ein neues Abenteuer, indem er zum einen eines Mordes in der Halbwelt verdächtigt, zum anderen mir der Auffindung des Mörders beauftragt wird. Also setzt Brahms alles daran einen Mörder und seine schöne Unbekannte finden, deren Duft ihn bei der Suche leitet. Als die eigene Spürnase versagt, holt Brahms seine Hundefreundin Noffi zu Hilfe. Wie immer begeistert Gerlach mit außergewöhnlichen Typen, wie Kommissar Peterson, für den kulinarische Genüsse an erster Stelle stehen oder dem Maler Wellmann. (Bestellen bei Missing Link)
Ilka Remes: Das Erbe des Bösen. München: dtv 2008. Kart., S. 523, 14,50 € Mit Das Erbe des Bösen ist dem finnischen "Thriller-Experten" Ilka Remes ein fulminantes Kaleidoskop der Schrecken des 20. Jahrhunderts, Terror des Dritten Reiches, Kalter Krieg und aktuelle islamische Terrorbedrohung, gelungen. Eingebettet ist dieses in die Familiengeschichte des Biologen Erik Narva. Eriks Eltern, seine schwedische Mutter Ingrid und sein finnischer Vater Rolf, haben in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts in Berlin studiert und anschließend den Krieg durchlebt. Ingrid, eine hochbegabte Biologin arbeitete am Kaiser Wilhelm Institut in Berlin in der Abteilung für Anthropologie und hatte Kontakt zu den "Arbeiten" von Josef Mengele. Rolf war im Forschungsteam des Physikers Rudolf Diebner mit der Entwicklung der Naziatombombe betraut. Kurz vor Kriegsende hat er gemeinsam mit seinem Freund Hans Plögger das im Rahmen des Forschungsprogramms gewonnene angereicherte Uran an einen geheimen Ort verbracht. Nach dem Krieg sind Rolf und Ingrid mit anderen deutschen Forschern, u.a. der Gruppe um Wernher von Braun, in die USA gelangt. Ingrid arbeitete dort an Menschenversuchen zur Auswirkung der Atomenergie auf den menschlichen Organismus mit. Rolf war erst in der Rüstungsindustrie, dann beim Apolloprogramm und schließlich bei Lockheed tätig. Die Vergangenheit holt Rolf wieder ein, als Hans´ Tagebücher in die Hände von islamischen Terroristen gelangen, diese so von der Existenz des angereicherten Urans erfahren und ihn kidnappen. Erik, der in den USA geboren wurde und nichts von der Nazivergangenheit seiner Eltern weiß, versucht seinen Vater zu befreien und kommt dabei der Vergangenheit auf die Spur. Das Erbe des Bösen ist ein Buch mit einem einzigartigen Drive. Kunstvoll verbindet Remes Vergangenheit und Gegenwart. Das Buch nimmt immer wieder überraschende Wendungen ohne unplausibel zu werden und auch der für das Genre typische Show-down ist gelungen. Beklemmend ist, dass es auf detaillierter Recherche beruht - nicht nur die Schrecken des Dritten Reiches, auch die Menschenversuche in den USA, Zwangssterilisation in Skandinavien und die Verwicklung bedeutender US-Finanziers in die Eugenik sind Realität. Daher ist das Buch auch nicht übertrieben oder kann als antiamerikanisch angesehen werden. (Bestellen bei Missing Link)
Thomas Brezina: Der Schrei der goldenen Schlange. Jumbo Neue Medien & Verlag GmbH. 1 CD, Spielzeit 55:22, 7,95 €. "Vier Knickerbocker, lassen niemals locker", das ist das Motto der Knickerbocker Lilo, Axel, Poppi und Domenik. Wieder einmal haben sie sich kopfüber in ihr neues Abenteuer gestürzt. Dabei beginnt alles ganz harmlos: Poppi ist zu Besuch bei ihrem Onkel und nimmt für den Nachbarn ein schweres Paket an. Im Paket ist ein Teil einer goldenen Schlange und eine geheimnisvolle Sekte setzt alles daran sie zu bekommen. Zur Lösung des Rätsels müssen die Knickerbocker die geheimnisvolle Schlangeninsel finden.. Sehr spannend und toll gesprochen. Das gleichnamige Buch ist im Ravensburger Buchverlag erschienen. (Bestellen bei Missing Link)
Barbara Krohn: Was im Dunkeln bleibt. München: Wilhelm Goldmann 2007. Kart., S. 350, 7.95 € Sonja, eine Lifestyle-Reporterin aus Hamburg kommt nach Neapel um mit ihrer neuen Liebe Commissario Gennario Gentilini das Zusammenleben zu erproben. Kurz nach ihrer Ankunft wird die Leiche eine jungen Afrikanerin in den Ausgrabungen von Pompei gefunden, was Sonja zum Anlass nimmt, über Frauenhandeln und die Situation junger Afrikanerinnen in Italien zu recherchieren. Kurz darauf wird ein Wachmann aus Pompei tot aufgefunden. Er hat die Pistole, mit der die Afrikanerin erschossen wurde bei sich. Während Gennario in beiden Mordfällen ermittelt, knüpft Sonja Verbindungen zum deutschen Konsulat. Es scheint Verbindungen zwischen den Mordfällen, einer Reihe von Kunstrauben und der deutschen Community in Neapel zu geben. Barbara Krohn gelingt gut ein vielschichtiges Bild der modernen italienischen Gesellschaft zu zeichnen. Auf der einen Seite der langsamen Zerfall der italienischen Großfamilien , Jugendliche ohne Hoffnung und Wertesysteme, Dekadenz der führenden Schichten, Diebstahl von Kulturgütern. Auf der anderen Seite engagierte Polizisten und Menschen wie Sonja und Gennario, die ohne Sentimentalität und mit viel Lebenserfahrung an einer positiven Zukunft arbeiten. (Bestellen bei Missing Link)
Manfred Wieninger: Die Rückseite des Mondes. Hamburg: Edition Nautilus, Kaliber .64 2008. Kart., S., 64, 4,90 € Gruppeninspektor Grassmann verbringt missmutig seinen letzten Tag in einem niederösterreichischen Kaff, die morgige Pensionierung herbei sehnend. Doch kaum ist er pensioniert, bricht am Ort das Chaos aus. Plötzlich erhalten alle Lumpen und Gauner, deren Treiben Gassmann aufgrund von Mangel an Beweisen tatenlos zusehen musste, eine gerechte Strafe. Schnell verdächtigen die früheren Kollegen Grassmann der Selbstjustiz. 64 Seiten bös- und großartige Unterhaltung. Unter Kaliber .64, 64 Seiten und Schluss sind im Herbst noch Marita und Jürgen Alberts: Tod in der Quizshow ( ein Mord in einer Quizshow muss vertuscht werden, da es noch viele ungesendete Folgen gibt) sowie Wolfgang Schorlau: Ein perfekter Mord ( ein Krimiautor langweilt sich bis er eine Leiche genauso wie von ihm selber beschrieben findet) erschienen (Bestellen bei Missing Link)
Adrian Mathews: Das Geheimnis des Meisters. München: Goldmann 2008. Kart., S. 638, 9,95 € Ruth Braam ist Kunsthistorikerin und arbeitet im Amsterdamer Rijksmuseum. Sie gehört einem Team an, das die Besitzansprüche an von den Deutschen während der Nazizeit enteigneten Gemälden prüft. Während ihrer Arbeit lernt sie die alte und etwas verwirrte Lydia van der Heyden kennen, die Anspruch auf ein Gemälde eines Familienahnen, Johann van Heyden, erhebt. Erstaunlicherweise macht aber auch Lydias Nachbar Edward Scheele einen Anspruch auf das Bild geltend. Während des Krieges und der Besatzungszeit Amsterdams durch die Deutschen, war Scheele der "Bewahrer" des Eigentums der halbjüdischen Familie van der Heyden gewesen, nun ist er mit Lydia, dem einzigen überlebenden Familienmitglied, vollkommen zerstritten. Das Gemälde ist aus kunsthistorischer Sicht nicht hervorragend, zeigt jedoch eine interessante Szene und sowohl Göring als auch Hitler waren an seinem besitz interessiert. Ruth Neugier ist geweckt und die wachsende Freundschaft mit Lydia verstrickt Ruth immer tiefer in Lydias Familiengeschichte und in das Geheimnis des Bildes. Doch Ruths Nachforschungen stoßen nicht nur auf Gegenliebe und bald versucht jemand Ruths Leben zu zerstören. Ein 638 Seite starker Krimi, der bis zur letzten Seite fesselt. Zur Steigerung der Spannung und Komplexität führt der Autor führt einige Personen als Verdächtige ein, deren Spur dann ins Leere läuft und die für die weitere Handlung unwichtig werden, aber das ist im wirklichen Leben ja auch so. (Bestellen bei Missing Link)
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